Den Sozialdemokraten reicht die geplante Finanzmarktsteuer nicht. Bundesländer verlangen zudem beim Fiskalpakt Zuschüsse aus Berlin.

Berlin. Es war ein großer Kreis, der auf Einladung der sozialdemokratisch geführten "A-Länder" am frühen Donnerstagabend zusammenkam: Die Ministerpräsidenten der SPD waren zugegen, ihre Finanzminister, die Finanzpolitiker der SPD-Bundestagsfraktion, außerdem Parteichef Sigmar Gabriel und der Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier. Jene erweiterte "Beck-Runde", wie der Kreis um den rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten heißt, beriet über die Haltung zu dem Fiskalpakt, nur wenige Stunden nach dem Entgegenkommen der schwarz-gelben Koalition bei der Finanztransaktionssteuer.

+++ Einigung bei Fiskalpakt erst bei Wachstumsprogrammen +++

+++ Krise und kein Ende: Der Fiskalpakt ist nur ein erster Schritt +++

Die Bereitschaft der Koalition, jene Steuer mitzutragen, wird in der SPD mit Genugtuung registriert - doch ein generelles Plazet wollen die Sozialdemokraten dem Fiskalpakt noch nicht geben. Gabriel forderte, der Bund müsse alle zusätzlichen Kosten und Sparzwänge übernehmen, die durch den Fiskalpakt auf die Länder und Kommunen zukämen. "Dafür muss es eine verfassungsrechtliche Klarstellung geben", sagte er der "Rheinischen Post". SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier mahnte in der ARD Wachstumsimpulse zur Schaffung von Arbeitsplätzen an. SPD und Grüne pochen bislang auf Konjunkturprogramme, damit sich die Wirtschaft in den Krisenländern erholen kann.

"Wir bringen eine echte Trophäe heim", sagt ein führender Sozialdemokrat - doch die Länder zeigen sich noch zögerlich und verlangen Geld vom Bund. Die von SPD und Grünen geführten Länder fordern angesichts strenger Vorgaben beim Schuldenabbau zusätzliche Einnahmen des Bundes. Die CDU-geführten "B-Länder" denken ähnlich, vermeiden aber eine Konfrontation mit Kanzlerin und Koalition. In der Sache aber verlangen sie ebensolche Zuschüsse. Wenn zusätzliches Geld nicht fließe, "wäre eine Zustimmung der Länder ein Blindflug in die Handlungsunfähigkeit", sagte Nordrhein-Westfalens Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD).

Die Bundesländer seien angesichts der Annäherung zwischen Koalition und Opposition "hochnervös", ist in Berliner SPD-Kreisen zu vernehmen. Am Montag werden sie sich mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) treffen. Hier dürften sie sich wehren gegen weitergehende Eingriffsrechte des Bundes in ihre Haushaltsautonomie. Außerdem verlangen die Länder - für die steigenden Eingliederungshilfen von Langzeitarbeitslosen - eine finanzielle Kompensation durch den Bund. Der Grund: Der Fiskalpakt fordert eine Konsolidierung, die sich auch auf die zumeist notorisch klammen Kommunen bezieht.

Bei den Sozialdemokraten werden noch viel grundlegendere Beschlüsse gefordert. So verlangen die baden-württembergischen Minister für Finanzen und Europa, Nils Schmid und Peter Friedrich, eine EU-weite Besteuerung von Wirtschaft und Vermögen. Die beiden SPD-Politiker wollen den Fiskalpakt zur Begrenzung der Staatsverschuldung ergänzen und rufen nach einem "europäischen Bündnis zur Stärkung der Staatseinnahmen", wie aus einem Konzept hervorgeht, das der "Welt" vorliegt.

"Für eine Einnahmesicherung mit Verfassungsrang als Gegenstück zur Konsolidierung wäre eine Verpflichtung aller europäischen Staaten auf eine gleichartige Besteuerung der Wirtschaft und eine verpflichtende Mindestbesteuerung für Vermögen der richtige Weg", schreiben die beiden Minister. Über das dreiseitige Papier soll am Montag im SPD-Parteivorstand beraten werden.

Außerdem verlangen Finanzminister Schmid und Europaminister Friedrich eine "Mindestbesteuerung von Vermögen in allen EU-Ländern". In ihrem Konzept heißt es dazu: "Die Schulden der einen sind die Vermögen der anderen. Was bei den Staaten als Verpflichtung auf den Büchern steht, findet sich bei den Anlegern als Anlagevermögen in Form von Staatsanleihen auf der Habenseite." Wer also ernsthaft Staatsschulden reduzieren wolle, werde um einen durch die EU-Staaten organisierten Ausgleich zwischen öffentlichen Schulden und privaten Vermögen nicht herumkommen. Drastischer ausgedrückt: "Weniger Staatsschulden heißt auch weniger von dieser Art von Privatvermögen."

Wie jeder Tisch brauche die europäische Fiskalunion "mindestens vier Beine, um stabil stehen zu können", schreiben Schmid und Friedrich. Neben dem Fiskalpakt und der gemeinsamen Euro-Stabilisierung sowie einer "einheitlichen Mindestbesteuerung von Wirtschaft und Vermögen in der EU" sei außerdem eine "einheitliche europäische Bankenregulierung" erforderlich. Diese sei "das vierte Standbein, dessen Umsetzung schon viel zu lange auf sich warten lässt". Alle vier Säulen benötigten "die gleiche rechtliche Verbindlichkeit ... Alle Säulen müssen auch mit der gleichen Möglichkeit der Sanktionierung bei Nichteinhaltung versehen werden." Eine europäische Wirtschafts- und Finanzverfassung, die nur Konsolidierung und Euro-Stabilisierung kenne, "aber keine gemeinsame Finanzmarktregulierung und Steuerharmonisierung, wird Europa weder Perspektive noch Wohlstand bringen", sagte Baden-Württembergs Europaminister Friedrich der "Welt".

Bei den Sozialdemokraten gilt es als gut möglich, dass sich die schwarz-gelbe Koalition sowie die Partei- und Fraktionsvorsitzenden von SPD und Grünen bei ihrem Treffen am 13. Juni grundlegend verständigen. In diesem Fall könne der kleine SPD-Parteitag ("Parteikonvent") dem Fiskalpakt am Sonnabend kommender Woche zustimmen.