Die EU-Innenminister wollen ihre Hoheit über die Grenzen behalten, die EU fordert, dies müsse im Einzelfall im Kollektiv abgestimmt werden.

Luxemburg. Die EU-Innenminister bleiben beim Streit über die Wiedereinführung von Grenzkontrollen auf Konfrontationskurs zu Brüssel. Während die Mitgliedstaaten auf ihrer nationalen Entscheidungshoheit beharren, pocht die EU-Kommission auf eigenes Mitspracherecht und Entscheidungen im europäischen Kollektiv. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich zeigte sich vor Beginn des Treffens mit seinen EU-Ressortkollegen am Donnerstag in Luxemburg unversöhnlich: „Das letzte Entscheidungsrecht bleibt natürlich bei den Mitgliedstaaten, denn wir sind verantwortlich für die Sicherheit unserer Bürger.“

Gemeinsame europäische Entscheidungen über die Wiedereinführung von Grenzkontrollen lehnte der CSU-Mann erneut ab. Die EU-Kommission solle zwar eine stärkere Rolle beim Verfassen von Gutachten über die Funktionsfähigkeit der Grenzregime bekommen und entsprechende Verbesserungsvorschläge abgeben dürfen. Die von Brüssel bevorzugte Variante, zeitweise Beschränkungen der Reisefreiheit nur im Kollektiv zu beschließen, komme aber nicht infrage.

In Brüssel stößt diese Haltung übel auf. „Die Kommission wird den vorliegenden Vorschlag nicht akzeptieren, weil es sich nicht um einen europäischen Mechanismus handelt“, sagte EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström vor dem Auftakt der Verhandlungen. Zwar könnten Mitgliedstaaten durchaus souverän über ihre Grenzen verfügen, das Schengen-Abkommen aber sei „eine europäische Errungenschaft“, über die nur im Kollektiv entschieden werden dürfe. Deshalb hoffe sie auch, dass am Donnerstag noch kein verschärfter Entwurf des Abkommens verabschiedet werde.

+++ Bundesregierung will Grenzkontrollen als "ultima ratio" +++

Konfliktstoff birgt vor allem ein neuer „Notfallmechanismus“: Falls ein Mitgliedsland seine Schengen-Außengrenzen nicht verlässlich kontrolliert, dürften andere Staaten, die deshalb ihre „öffentliche Ordnung und innere Sicherheit“ gefährdet sehen, ihre Binnengrenzen als „letzten Ausweg“ vorübergehend wieder abschotten. Zwar ginge dem ein Abstimmungsprozess auf europäischer Ebene voraus - die Entscheidungshoheit bliebe letztlich aber bei der nationalen Regierung.

Die österreichische Innenministerin Johanna Mikl-Leitner verteidigte den Plan. Wie überfällig solch eine Regelung sei, zeige die löchrige griechisch-türkische Grenze – ein Brennpunkt illegaler Einwanderung in den Schengen-Raum ohne Passkontrollen: „Hätten wir diesen Mechanismus vorher schon gehabt, würde es vielleicht die Situation, die derzeit in Griechenland besteht, nicht geben.“ Auf die Frage, ob der Mechanismus bald angewendet werden könnte, antwortete Mikl-Leitner: „Wenn die innere Sicherheit in Gefahr ist, dann können wir uns selbstverständlich vorstellen, dass auch hier die Grenzen hochgezogen werden.“

Eine inflationäre Anwendung der Notfallklausel befürchtet ihr deutscher Amtskollege indes nicht: „Der Notfallmechanismus ist etwas, was ganz, ganz am Schluss, als Ultima Ratio, wenn alle Stricke reißen nur infrage kommt“, beteuerte Friedrich. Er sei jedoch dann wichtig, „wenn beispielsweise ein Staat nicht mehr in der Lage ist, seine Außengrenzen, das heißt unsere Außengrenzen in Europa ausreichend zu schützen.“

In Brüssel scheint man von der engen Auslegung der „Ultima Ratio“ nicht restlos überzeugt. Mit ihrem eigenen Vorschlag wollte Malmström nationale Alleingänge aus populistischen Motiven oder Wahlkampfkalkül heraus verhindern. Missbrauch müsse vorgebeugt und die Reisefreiheit von Millionen EU-Bürgern verteidigt werden, ermahnte sie die Innenminister.

Über die Neufassung des Schengen-Abkommens sollte am Donnerstag weiter beraten werden. Es war 1985 von Deutschland, Frankreich und den drei Beneluxstaaten unterzeichnet worden, später traten 21 weitere Länder traten dem Vertrag bei. Über die Reform der Regeln wird inzwischen seit über einem Jahr gestritten. (dapd)