Der Grünen-Parteichef hat mit Unverständnis auf die Äußerungen des Bundespräsidenten zur Zugehörigkeit des Islams zu Deutschland reagiert. „Ich kann diese Differenzierung zwischen Islam und gläubigen Muslimen nicht nachvollziehen“, sagte Özdemir. Gauck hatte sich von Wulff distanziert: “Ich hätte einfach gesagt: Muslime, die hier leben, gehören zu Deutschland“.

Berlin/Ramallah/Dortmund. Die Äußerungen von Bundespräsident Joachim Gauck zum Islam stoßen in Deutschland auf ein geteiltes Echo. Grünen-Parteichef Cem Özdemir reagierte mit Unverständnis auf die Bemerkung des Staatsoberhauptes. „Ich kann diese Differenzierung zwischen Islam und gläubigen Muslimen nicht nachvollziehen“, sagte Özdemir den „Ruhr Nachrichten“ (Freitagausgabe). „Wenn der Bundespräsident erklärt, dass Muslime, die hier leben, zu Deutschland gehören, dann gehört natürlich auch ihr Islam zu Deutschland“, widersprach Özdemir.

Lob kam dagegen vom Vorsitzenden des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek. Auch der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Hans-Peter Uhl (CSU) lobte die Worte des Bundespräsidenten, mit denen er sich von einer Äußerung seines Amtsvorgängers Christian Wulff indirekt distanzierte.

Wulff hatte mit seiner Bemerkung, der Islam gehöre zu Deutschland, eine hitzige Debatte ausgelöst und Widerspruch geerntet. Gauck sagte nun der Wochenzeitung „Die Zeit“, Wulff habe die Bürger auffordern wollen, sich der Wirklichkeit zu öffnen. Und die sehe so aus, „dass in diesem Lande viele Muslime leben“. Gauck, der evangelischer Theologe ist, betonte: „Ich hätte einfach gesagt, die Muslime, die hier leben, gehören zu Deutschland.“

Der Bundespräsident sagte weiter, er könne allerdings auch diejenigen verstehen, die fragten: „Wo hat denn der Islam dieses Europa geprägt, hat er die Aufklärung erlebt, gar eine Reformation? (...) Ich bin hoch gespannt auf den theologischen Diskurs innerhalb eines europäischen Islams.“

Auch die Türkische Gemeinde in Deutschland reagierte in der Zeitung mit Kritik auf die Äußerungen des Staatsoberhaupts. „Ich empfehle Herrn Gauck einen Blick in die Geschichtsbücher: Der Islam gehört zur Geschichte Europas und Deutschlands“, sagte deren Vorsitzender Kenan Kolat. „In den Debatten der Historiker besteht daran überhaupt kein Zweifel.“

Gauck, der evangelischer Theologe ist, sagte in dem „Zeit“-Interview weiter, Ein-Satz-Formulierungen über Zugehörigkeit seien „immer problematisch, erst recht, wenn es um so heikle Dinge geht wie Religion“. Er könne daher auch diejenigen verstehen, die fragten: „Wo hat denn der Islam dieses Europa geprägt, hat er die Aufklärung erlebt, gar eine Reformation? ... Ich bin hoch gespannt auf den theologischen Diskurs innerhalb eines europäischen Islam.“

Mazyek entgegnete, er freue sich „über die Einladung von Herrn Gauck“ zu einer Debatte über den europäischen Islam, seinen geschichtlichen Ursprung und die Aufklärung: „Dafür könnte der Bundespräsident ein guter Moderator und Schirmherr sein.“ In Deutschland werde „ein neues Wir-Gefühl“ benötigt, „was unsere bestehende Vielfalt ausdrücklich bejaht“. Vor dem Hintergrund zunehmender Islamophobie seien „solche Signale auch vom Bundespräsidenten äußerst wichtig“.

Das Gespräch mit Gauck wurde vor dessen Reise nach Israel und in die Palästinensergebiete geführt, die am Donnerstag zu Ende ging. Der Bundespräsident sagte, der Satz von Kanzlerin Angela Merkel, das Existenzrecht Israels gehöre zur deutschen Staatsräson, „kommt aus dem Herzen meiner Generation“. Er sei nicht nur aus einer politischen Vernunft geboren, „sondern aus einer tiefen Zerknirschung. Es ist ein moralischer Appell an uns selber, bei dem ich sehr besorgt bin, ob wir die Größe dieses Anspruchs an uns selbst in politisches Handeln umzusetzen vermögen.“ Für die nächste Generation könne dieser Appell „womöglich eine Überforderung“ bedeuten, sagte Gauck.

Mit Material von dapd und dpa