Nach dem Bremer Debakel will Schleswig-Holsteins Landeschef von Boetticher verstärkt um Zuwanderer werben. Die CDU sucht ihr Großstadtprofil.

Berlin. "Und auch in Großstädten können wir gewinnen." Sieben Jahre sind vergangen, seit Angela Merkel diesen Satz sagte. Kurz nachdem Ole von Beust in Hamburg die absolute Mehrheit bei der Bürgerschaftswahl gewonnen hatte, schien Merkels CDU zur Metropolenpartei zu werden. Inzwischen regiert wieder die SPD der Hansestadt mit absoluter Mehrheit, und von Merkels einstiger Feststellung ist auch sonst wenig übrig geblieben. In Bremen darf man sich nur noch drittstärkste Kraft nennen - hinter den Grünen. Für eine wachsende Zahl von Christdemokraten ist der Wahlausgang nur ein weiterer Beleg dafür, dass die CDU ein Großstadt-Problem hat.

Das gab nach dem Debakel von der Weser auch Merkel zu, nachdem sie sich intensiv mit Präsidium und Vorstand der Partei beraten hatte. Der Umgang mit großstädtischen Wählergruppen werde eine Herausforderung für die CDU bleiben, sagte die Parteichefin im Konrad-Adenauer-Haus. Mit dem Ergebnis von Bremen könne man nicht zufrieden sein. Die dortige Spitzenkandidatin Rita Mohr-Lüllmann habe unter nicht einfachen Bedingungen gekämpft. Dennoch: "Diesmal hätten wir uns mehr gewünscht."

Auf eine breit angelegte Ursachenforschung wollte sich die Bundeskanzlerin nicht einlassen: Die Wahlen in Bremen und auch in Baden-Württemberg seien von der Diskussion über die Energiepolitik bestimmt gewesen. Davon hätten die Grünen profitiert. Andere Gründe wollte Angela Merkel nicht anführen.

Ob man auf die Grünen nun verstärkt zugehen müsse? Die Parteichefin wehrte ab. Zwischen CDU und Grünen gebe es "grundsätzliche Unterschiede", die "programmatische Überlappungsmenge" passe nicht zusammen, äußerte Merkel. Ihre Einstellung habe sich nicht verändert: Den Grünen werde sie nicht hinterherlaufen.

Dabei könnte die CDU am 18. September ihre nächste Demütigung erleben, falls bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus wieder nur der dritte Platz hinter SPD und Grünen herausspringt. Während Merkel vorerst keine Bereitschaft für einen Kurswechsel erkennen ließ, äußerten andere Unions-Politiker offen Besorgnis. Schleswig-Holsteins CDU-Landeschef Christian von Boetticher forderte, verstärkt um Zuwanderer zu werben. "Gerade in den großen Städten sind die CDU-Ergebnisse derzeit schwach", sagte von Boetticher dem Hamburger Abendblatt. Die Union müsse daran arbeiten, für urbane Wähler attraktive Konzepte zu bieten. "Wir müssen Menschen mit Migrationshintergrund während und nach ihrer gelungenen Integration für die CDU begeistern", sagte von Boetticher und empfahl außerdem, auf Verbraucherschutzthemen wie gesunde Lebensmittel zu setzen.

Andere Unionisten machen diese Rechnung auf: Je großstädtischer die CDU sein wolle, desto grüner werde sie. Der Vorsitzende der Jungen Union, Philipp Mißfelder, forderte daher eine scharfe Auseinandersetzung mit den Grünen. Wenn die Union verhindern wolle, dass die Ökopartei bei der nächsten Bundestagswahl Rekordergebnisse einfahre, "muss man sie angreifen", verlangte Mißfelder im Deutschlandradio Kultur. Man müsse sehen, wo man bei Schwarz-Grün lande. So habe die Hamburger CDU nach ihrer Koalition mit den Grünen ein desaströses Wahlergebnis eingefahren. "Deshalb kann ich eigentlich nur jedem abraten, sich bei den Grünen anzubiedern", warnte der CDU-Bundestagsabgeordnete. Der großstädtische Strategieansatz der CDU in Hamburg und Bremen habe keinen Erfolg gebracht, stellte er fest.

Die CDU-Spitze müht sich, die Lücke in der potenziellen Wählerschaft zu schließen. Der Vorsitzende der Bundestagsfraktion, Volker Kauder, prägte die Formulierung, die Partei müsse an ihrer "Großstadtkompetenz" arbeiten und die richtigen Akzente setzen. Der hessische Ministerpräsident und stellvertretende CDU-Vorsitzende Volker Bouffier forderte neue Überlegungen, wie man gerade in großen Städten stärker und attraktiver werden könne. "In erster Linie müssen wir für uns werben, nicht für Schwarz-Grün." Mit Blick auf die Energiepolitik und die Frage des besten Zeitpunkts für den Atomausstieg mahnte er einen "klaren Kompass" an, wie Wohlstand und starke Industrie in Deutschland erhalten werden könnten.

Der CDU-Generalsekretär in Baden-Württemberg, Thomas Strobl, forderte eine grundlegende Debatte: "Man wird nicht sagen dürfen: Wir gehen bundesweit wieder zur Tagesordnung über", sagte er im Südwestrundfunk. Die einzelnen Entscheidungen der Regierung seien zwar richtig, aber der "rote Faden" des Regierungshandelns sei für viele Menschen nicht erkennbar.

Die scharfe Kritik aus den eigenen Reihen ließen die Berliner Entscheidungsträger gestern noch an sich abprallen. Der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Peter Altmaier, mahnte zur Ruhe. "Die Stärke einer Partei liegt darin, dass sie auch bei Gegenwind zu dem steht, was richtig ist", sagte er.