Katja Suding wurde mit gutem Ergebnis in den Bundesvorstand gewählt. Rösler begeistert die Delegierten mit einer Grundsatzrede.

Rostock. Nach dem Parteitag in Rostock ist für die Liberalen die Richtung klar: Es soll nach oben gehen. Raus aus dem Umfragekeller, raus aus den Personaldebatten und ganz weit weg von desaströsen Wahlergebnissen wie im Südwesten Ende März. Mit der neu gewählten Parteispitze um Philipp Rösler schaut die FDP nach vorn. Doch sie schaut während der drei Tage an der Ostsee auch immer wieder gen Westen - in Richtung Hamburg.

Das liegt vor allem am Wahlerfolg vom 20. Februar. "Mit 6,7 Prozent haben wir das beste Ergebnis seit 37 Jahren in Hamburg erreicht und sitzen mit neun Abgeordneten in der Bürgerschaft", ruft die Frontfrau der Elbliberalen, Katja Suding, den Delegierten im Saal zu. Es ist ihre Bewerbungsrede auf einen Posten im Bundesvorstand der Partei: Eine von 18 freien Beisitzern will sie werden, 27 Liberale kandidieren. Der Sieg an der Elbe soll ihr Rückenwind geben, immerhin ist es weit und breit der einzige, den die FDP derzeit vorweisen kann. Auch wenn die Liberalen in Hamburg nur eine Nebenrolle spielen, ist der Landesverband im bundesweiten Gefüge im Moment der erfolgreichste.

Wohl vor allem deshalb fährt Suding das beste Ergebnis der 27 Bewerber ein. Mit 56,6 Prozent wird sie gewählt und verstärkt damit den Hamburger FDP-Landeschef Rolf Salo im FDP-Bundesvorstand. Salo wiederum wird bei der sogenannten "Kurfürsten-Wahl", bei der über die Beisitzer des Präsidiums abgestimmt wird, mit 59 Prozent wiedergewählt. Im Vergleich ist das ein durchwachsenes Ergebnis, da es für 16 Posten exakt 16 Bewerber gab - einen aus jedem Bundesland. Noch schlechter läuft es aber für den schleswig-holsteinischen Fraktionschef Wolfgang Kubicki. Er fällt im ersten Wahlgang durch. Ein Denkzettel der 662 Delegierten - immerhin war er es, der die Personalkrise der FDP wiederholt befeuert hatte. Erst im zweiten Wahlgang schafft er mit 70 Prozent der Stimmen den Einzug.

"Mit Rolf Salo und mir sind zwei Hamburger im Bundesvorstand vertreten", sagt Suding dem Abendblatt am Rande des Parteitags. "Mit diesem nun doppelten Gewicht werden wir an der künftigen Arbeit der FDP auch im Bund mitwirken." Sie wolle zum Beispiel deutlich machen, "dass der Sozialstaat nur stark sein kann, wenn wir die Treffsicherheit der Sozialleistungen erhöhen". Zudem will Suding die Zusammenarbeit der Nord-Fraktionen der FDP stärken. Es gebe viele Anknüpfungspunkte, etwa in der Hafen- und Verkehrspolitik. "Ganz aktuell möchte ich eine Zusammenarbeit bei der Sicherungsverwahrung prüfen", fügt sie hinzu. "Die Länder stehen vor großen Herausforderungen, was die Anforderungen an die Unterbringung angeht. Da macht es Sinn, nach einer gemeinsamen Lösung zu suchen." Die 35-jährige Suding ist erst seit fünf Jahren Mitglied der FDP. Mit gelbem Friesennerz posierte die zweifache Mutter im Hamburger Wahlkampf auf den Plakaten und holte in Blankenese ein Direktmandat, "mit Themen, die nah an der Lebenswirklichkeit der Menschen sind", wie sie vor den Delegierten sagt.

Dem neuen Parteichef dürfte das gefallen. Philipp Rösler, am Freitag mit 95 Prozent ins Amt gewählt, setzt auf eine sehr alltagstaugliche Liberalismusdefinition. In seiner ersten Grundsatzrede am Sonnabend erzählt er von Schwiegermutter Ruth, die vorn neben Ehefrau Wiebke in der ersten Reihe sitzt. Ruth sei Intensivkrankenschwester, die nicht nur nebenbei auf ihre Enkelkinder aufpasse, sondern sich auch noch um Oma Klärchen kümmere, 93 Jahre alt, ebenfalls anwesend. "Keiner fragt: Wie geht es eigentlich Ruth?", sagt Rösler. Er will, dass sich die FDP deshalb mehr um die Alltagssorgen "der ganz normalen Menschen" kümmert. Er wünscht sich Freiheit "gedacht, gelebt, aber auch gefühlt".

Röslers Rede kommt gut an bei den Delegierten. Anders als sein Vorgänger Guido Westerwelle spricht er leise, schreit nie. Die FDP muss sich für den Neustart nicht komplett erneuern, so seine Botschaft, sie muss ihre Inhalte nur besser kommunizieren. Er streut Witze in seine Rede ein und Anekdoten, wie jene von Ruth. Der Applaus dauert neun Minuten. "Die Rede von Philipp Rösler war exakt das, was ich mir gewünscht habe", lobt Suding. "Er hat es geschafft, die liberalen Kernthemen an Beispielen aus dem alltäglichen Leben der Menschen zu erklären."

Generalsekretär Christian Lindner umarmt Rösler nach dessen Rede lange. Gemeinsam haben sie den Begriff des "mitfühlenden Liberalismus" geprägt - und der Partei jetzt erklärt, was damit gemeint ist. Doch Lindner ist auch derjenige, der sie am Sonntagmorgen mahnt: "Die neue Glaubwürdigkeit ist greifbar, aber sie ist noch nicht gewachsen." Der Weg nach oben hat für die FDP gerade erst angefangen.