Wirtschaftsminister Brüderle will die regionale Wirtschaftsförderung kürzen. Auch andere Subventionen könnten entfallen.

Hamburg/Berlin. Die Bürger müssen sich wegen der leeren Staatskassen auf eine höhere Steuerbelastung einstellen. Steuererhöhungen in großem Stil gelten in den Koalitionsparteien zwar weiter als unwahrscheinlich. Allerdings zeichnete sich am Freitag ab, dass auf einige bisher begünstigte Produkte der volle Mehrwertsteuersatz fällig werden könnte. Zudem wird in Union und FDP über Kürzungen von Subventionen wie der Pendlerpauschale nachgedacht.

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Ein Sprecher von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) bestätigte dem Abendblatt, dass im Herbst eine Regierungskommission eingesetzt wird, die alle ermäßigten Mehrwertsteuersätze überprüft. Schäuble schließe den Abbau von Steuersubventionen nicht aus, sagte der Sprecher. "Ebenso wenig kann ausgeschlossen werden, dass ein solcher Abbau von Steuersubventionen wie eine Steuererhöhung wahrgenommen wird."

Der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von sieben statt der üblichen 19 Prozent wird auf rund 50 Produktgruppen von Grundnahrungsmitteln bis hin zu Hundefutter erhoben. "Da gehen wir ran", sagten Haushaltsexperten von Union und FDP übereinstimmend der Nachrichtenagentur Reuters. Die vollständige Abschaffung des niedrigen Satzes könnte dem Staat jährlich 15 bis 20 Milliarden Euro einbringen.

Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) erteilte einer zusätzlichen Belastung der Bürger allerdings eine klare Absage. "Steuererhöhungen wird es mit der FDP nicht geben", sagte er im Abendblatt-Interview. "Wir müssen den Haushalt über die Ausgabenseite und nicht über die Einnahmenseite konsolidieren."

Zugleich bekräftigte Brüderle das Ziel, die Steuern wie im Koalitionsvertrag vereinbart zu senken. "Von den Steuervereinfachungen und Steuersenkungen verabschieden wir uns nicht", sagte er. "Es bleibt ein ganz entscheidendes Ziel, die Bürger noch in dieser Wahlperiode spürbar zu entlasten."

Vor den Etatverhandlungen mit Finanzminister Schäuble erklärte sich Brüderle zu Einsparungen im Wirtschaftshaushalt bereit. "Nach den Steinkohlesubventionen sind die Mittel für die regionale Wirtschaftsentwicklung der größte Posten in meinem Etat. Hier wird kein Weg daran vorbeiführen, die einzelnen Infrastrukturmaßnahmen nach Dringlichkeit und Priorität zu sortieren", sagte er. Investitionen in Forschung und Entwicklung wolle er allerdings ausdrücklich ausnehmen.

Vize-Regierungssprecherin Sabine Heimbach antwortete auf Fragen nach Steuererhöhungen ausweichend: "In allererster Linie wird es um Einsparungen gehen", sagte sie. Die Koalition muss von 2011 bis 2016 jedes Jahr ein Etatloch von zehn Milliarden Euro dauerhaft schließen, um die Schuldenbremse im Grundgesetz einzuhalten. Wie diese Aufgabe bewältigt werden soll, will die Regierung in einer Klausurtagung am 6. und 7. Juni im Kanzleramt entscheiden. Zum Tabu hat Kanzlerin Angela Merkel bisher nur die Bereiche Bildung und Forschung erklärt.

Im Gespräch sind nach Angaben aus der Koalition ein Abschmelzen einzelner Subventionen oder eine Kappung um zehn Prozent quer durch alle Bereiche. Besonders im Blick stünden die Pendlerpauschale, die Steuerfreiheit der Zuschläge für Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeit und die steuerliche Absetzbarkeit von Handwerkerarbeiten.