Kritik an Vorgehen gegen Spekulanten. EU-Kommissar Oettinger für globale Steuer

Berlin/Brüssel. Die Bundesregierung hat mit ihrem Alleingang im Kampf gegen Spekulanten europäische Partner irritiert. Die Entscheidung, in der Euro-Krise den Handel mit hochriskanten Finanzprodukten zu verbieten, wurde in Paris wie auch in Brüssel kritisiert. "Ich finde, dass jemand bei einer solchen Maßnahme zumindest den Rat der anderen Mitgliedstaaten einholen sollte", sagte Frankreichs Wirtschaftsministerin Christine Lagarde. "Wir haben nicht vor, dem Schritt zu folgen." EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier mahnte: "Diese Maßnahmen werden effizienter, wenn sie auf europäischer Ebene koordiniert werden."

Rückendeckung erhielt die Bundesregierung neben anderen vom deutschen EU-Energiekommissar Günther Oettinger. "In der gegenwärtigen Krisensituation müssen neue Wege erprobt werden, um Spekulationsmöglichkeiten auszubremsen. Die Initiative der Bundesregierung ist ein deutliches Signal und wird mit Sicherheit Nachahmer in Europa finden", sagte Oettinger dem Abendblatt.

Das deutsche Vorpreschen setzte dem Euro gehörig zu, die Einheitswährung beschleunigte ihre Talfahrt zunächst. Die Finanzaufsicht in Bonn hatte ungedeckte Leerverkäufe von bestimmten Aktien, Staatsanleihen der Euro-Länder sowie deren Kreditausfallversicherungen verboten. Damit soll den als Brandbeschleuniger in der Schuldenkrise geltenden Wetten auf fallende Kurse bei Staatsanleihen ein Riegel vorgeschoben werden.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) warnte angesichts der Schuldenkrise vor einem Zerfall der Europäischen Union: "Scheitert der Euro, dann scheitert Europa", sagte sie im Bundestag. "Es geht um nicht mehr und nicht weniger als um die Bewahrung der europäischen Idee."

Merkel warb um Zustimmung für den geplanten Euro-Rettungsschirm in der Größenordnung von bis zu 750 Milliarden Euro. Deutschland könnte in den nächsten drei Jahren bis zu 148 Milliarden Euro Garantien beisteuern. Die Kanzlerin sagte zu, sie wolle sich international für eine Finanztransaktionssteuer einsetzen. SPD und Grüne ließen offen, ob sie am Freitag im Bundestag dem gigantischen Rettungspaket zustimmen. Die Grünen forderten weitergehende Schritte. "Wir brauchen eine effektive europäische Finanzaufsicht und eine öffentlich-rechtliche Ratingagentur", sagte Fraktionschef Jürgen Trittin dem Abendblatt. "Schädliche spekulative Leerverkäufe müssen umfassend und nicht bloß vorläufig verboten werden." Nach wie vor blockiere die Bundesregierung eine europäische Finanztransaktionssteuer.

Oettinger warb für eine globale Lösung. "Beim G20-Gipfel Ende Juni sollten sich die Länder auf eine internationale Transaktionssteuer einigen. Das globale Netz der Märkte muss so dicht werden, dass jeder Versuch, dieser Steuer auszuweichen, scheitern wird", forderte er. "Wir brauchen wichtige außereuropäische Staaten wie die USA, Kanada, Singapur und am besten auch China, damit alle Marktteilnehmer über ihre Gesetzgeber vergleichbare Gebühren erheben können." Je mehr Staaten mitmachten, desto sinnvoller werde die Transaktionssteuer. Eine global tragfähige Lösung sei "greifbar nahe".