Börsen reagieren mit Kursabschlägen. Euro sinkt auf neues Vier-Jahres-Tief

Hamburg. Der Schlag gegen die Spekulanten kam völlig unerwartet: Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat seit gestern eine Reihe hoch riskanter Finanzgeschäften im Alleingang verboten. Ab sofort sind ungedeckte Leerverkäufe auf die zehn größten Finanzaktien, darunter Allianz, Deutsche Bank und Commerzbank untersagt, ebenso ungedeckte Leerverkäufe von Staatsanleihen der Euro-Zone sowie Kreditausfallversicherungen auf Ausfallrisiken auf Staaten der Euro-Zone.

Der Vorstoß sorgte an den Finanzmärkten für Turbulenzen und löste heftige Kritik aus. Der Kurs des Euro sank zeitweise mit 1,2146 Dollar auf ein neues Vier-Jahres-Tief. Die Marktteilnehmer beschlossen, "eine Währung zu verlassen, die weniger sicher geworden ist", kommentierte die Commerzbank die Entwicklung am Devisenmarkt. Doch auch die Börsen in Deutschland, Frankreich, Großbritannien und den USA gingen auf Talfahrt.

EU-Kommissar fordert einheitliches Vorgehen

Während die Bundesregierung den Schritt verteidigte, mahnte der EU-Kommissar Michel Barnier eine EU-weite Regelung an: "Regulatorische Willkür und eine Aufsplitterung innerhalb der EU und global" müssten verhindert werden. Bislang befürworten nur Spanien und Österreich die Entscheidung Deutschlands, Kritik kam dagegen aus Frankreich und Großbritannien.

"Ich finde, dass jemand bei einer solchen Maßnahme zumindest den Rat der anderen Mitgliedstaaten einholen sollte", sagte die französische Wirtschaftsministerin Christine Lagarde. "Wir haben nicht vor, dem Schritt zu folgen." Die britische Finanzaufsicht machte deutlich, dass sich das Verbot nicht auf deutsche Institute im Ausland bezieht. Nach Einschätzung von Commerzbank-Portfoliomanager Gunnar Stangl werden Händler in Deutschland künftig einfach auf andere Finanzplätze ausweichen. Der Großteil der Geschäfte mit CDS würde ohnehin nicht in Frankfurt, sondern in London oder New York abgewickelt. "Es ist eher ein Schritt zur Beruhigung der Bevölkerung", urteilt Bankenexperte Wolfgang Gerke.

Der Präsident des Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, verteidigt unterdessen das Handelsverbot. "Ich halte die Form der Spekulation für so gefährlich, dass ein unilaterales Verbot gerechtfertigt ist." Große Spekulanten könnten durch ihre Leerverkäufe einen massiven Kursverfall erzeugen, von dem sie selbst wiederum profitieren. Auch Rolf Drees, Leiter Research der WGZ-Bank, ist überzeugt: "Nach der Krise kann es nicht sein, dass der Finanzmarkt ohne regulatorische Einschränkungen bleibt."

Warum sind ungedeckte Leerverkäufe so risikoreich?

Bei Leerverkäufen leihen sich Hedgefonds Wertpapiere gegen eine Gebühr über einen bestimmten Zeitraum von anderen Marktteilnehmern aus, wie etwa Banken oder Fondsgesellschaften. Der Spekulant verkauft diese Papiere sofort an der Börse und setzt darauf, zum Rückgabezeitpunkt die Papiere zu einem günstigeren Kurs zurückkaufen zu können. Die Kursdifferenz zwischen beiden Geschäften verbleibt idealerweise als Gewinn. Bei ungedeckten Leerverkäufen, die verboten wurden, ist das Prinzip dasselbe. Allerdings haben sich die Investoren noch nicht einmal die Wertpapiere geliehen, was die Risiken deutlich erhöht. Solche Geschäfte können Kurse stark drücken.

Kreditausfallversicherungen verführen zum Missbrauch

Mit Kreditausfallversicherungen, sogenannten Credit Default Swaps (CDS), lässt sich ein Anleihedepot gegen einen Zahlungsausfall des Schuldners absichern. Anders als normale Versicherungen können die CDS auch gekauft werden, obwohl ein Investor das zu versichernde Objekt nicht besitzt. Das ermöglicht den Missbrauch, denn wer auf die drohende Pleite eines Staates wetten will, kauft sich Ausfallversicherungen, solange diese billig sind. Bekommt das Land Probleme, steigt die Nachfrage nach Absicherung und der Spekulant kann die CDS mit Gewinn verkaufen. So kostet es gegenwärtig 60 700 Euro Versicherungsprämie um griechische zehnjährige Staatsanleihen im Wert von einer Million Euro gegen einen Ausfall abzusichern, vor einem Jahr waren es nur 10 000. Der US-Investor Warren Buffet bezeichnet CDS sogar als "Massenvernichtungswaffen".