Innenminister de Maizière kritisiert Mangel an Dialogbereitschaft. Eklat vor Islamkonferenz

Berlin. Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat die christlichen Kirchen aufgerufen, sich stärker für die Integration der Muslime in Deutschland einzusetzen. "Ich bin ein bisschen traurig, dass der Staat da voranmarschiert", sagte der CDU-Politiker gestern im Rahmen einer Podiumsdiskussion auf dem Ökumenischen Kirchentag in München. "An sich hätte ich mir gewünscht, dass die Kirchen diesen Dialog führen."

Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir meinte dazu, der Minister solle lieber sein eigenes Engagement in dieser wichtigen Frage verstärken, statt den Schwarzen Peter den Kirchen zuzuschieben. Özdemir, der sich gestern ebenfalls auf dem Kirchentag aufhielt, sagte dem Abendblatt mit Blick auf die am Montag in Berlin tagende Islamkonferenz (DIK): "Die Konferenz steht unter einem schlechten Stern, seit Thomas de Maizière das Innenministerium übernommen hat. Unter seinem Amtsvorgänger Wolfgang Schäuble waren wir in der Integrationsdebatte schon weiter." De Maizière habe das Thema "heruntergestuft". Das habe zu einem schlimmen Effekt geführt: "Alle Leute, die daran beteiligt waren, sind mit Schäuble gegangen. Ich habe den Eindruck, dass de Maizière den 2006 begonnenen Dialog als lästiges Erbe empfindet, als steiniges Feld, auf dem es viel Ärger, aber wenig zu gewinnen gibt."

Tatsächlich startet die DIK glücklos in die zweite Runde. Am Mittwoch hat der Zentralrat der Muslime (ZMD) seine Teilnahme überraschend abgesagt. Dessen Vorsitzender Ayyub Axel Köhler erklärte, der ZMD empfinde die Islamkonferenz als eine "von der Bundesregierung verordnete Konferenz". Der Innenminister habe "über die Köpfe der Muslime hinweg" über Themen, Konzepte und personelle Zusammensetzung entschieden. Islamfeindlichkeit und Islamophobie wolle die Konferenz nur im Zusammenhang mit der Extremismus-Frage behandeln. Auch hinsichtlich der Anerkennung der islamischen Dachverbände als Religionsgemeinschaften habe das Ministerium blockiert.

De Maizière hat die Absage des Zentralrats zwar bedauert, ist aber überzeugt, dass die DIK trotzdem gut aufgestellt ist. Unter den 34 Beteiligten des zweiten Plenums sind auch zehn verbandsunabhängige Vertreter der säkularen Muslime. Daran hatten sich neben dem ZMD auch die Türkisch-Islamische Union Ditib und der Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ) gestört. Allerdings sind von Deutschlands Muslimen Schätzungen zufolge nur zehn bis 20 Prozent in Moscheegemeinden oder anderen Organisationen zusammengeschlossen, und das berücksichtigt die DIK-Zusammensetzung. Die Türkische Gemeinde Deutschlands (TGD) hat deshalb kein Verständnis für Köhlers Reaktion. "Der Zentralrat hat ein Eigentor geschossen", sagte Serkan Tören, TGD-Vorstandsmitglied und integrationspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. Es gehe um die Lösung praktischer Probleme im Zusammenleben, "und da hat sich der Zentralrat jetzt selbst ausgeschlossen". Tören wies darauf hin, dass der Zentralrat hinsichtlich des Kopftuchverbots oder der Befreiung muslimischer Mädchen vom Sportunterricht konservative Positionen vertritt.

Ebenfalls nicht mehr an der Konferenz beteiligt ist der Islamrat. Er wurde im März ausgeschlossen, weil unter seinem Dach auch Milli Görüs organisiert ist, eine Gruppierung, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird, und mit deren Vertretern Thomas de Maizière "nicht an einem Tisch sitzen" will.