Kanzlerin Merkel hält das Zwei-Grad-Ziel derzeit für unrealistisch

Petersberg/Bonn. Die Verhandlungen um den weltweiten Klimaschutz stocken - doch der Klimachef der Vereinten Nationen, Yvo de Boer, setzt auf ein Ergebnis beim nächsten Gipfel in Mexiko. "Ich denke, dass Fortschritte möglich sind", sagte de Boer bei der Klimatagung auf dem Petersberg bei Bonn. Auf dem nächsten Weltklimagipfel im Spätherbst in Cancún müsse ein Gerüst angepeilt werden, wie man Treibhausgase mindert, arme Länder unterstützt und sich an den Klimawandel anpasst.

Es werde bei den Treibhausgasen noch kein Ergebnis erzielt, das die Erderwärmung auf zwei Grad begrenze, sagte de Boer. "Der Kampf gegen den Klimawandel wird noch länger dauern." Er rechnet aber vor 2015 mit einem umfassenden Klimaabkommen. Auch das werde jedoch nicht das Ende aller Verhandlungen sein.

Beim Kopenhagener Klimagipfel im Dezember war die Vereinbarung verbindlicher Ziele wegen zu großer Differenzen gescheitert. Die Vertreter von rund 40 Ländern versuchen beim "Petersberger Klimadialog" auf Einladung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Bewegung in die Verhandlungen zu bringen.

"Wir müssen erkennen, dass wir von der Erfüllung des Zwei-Grad-Ziels noch ein ganzes Stück entfernt sind", räumte Merkel ein. Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) mahnte: "Wir dürfen das Ziel eines weltweiten Klimaschutzabkommens nicht aufgeben." In der gemeinsamen Erklärung Merkels und des mexikanischen Präsidenten Felipe Calderón kommt das Wort "Abkommen" nicht mehr vor.

Die Umweltorganisation Greenpeace sieht die Ursache für die stockenden Klimaschutzverhandlungen vor allem bei den USA. "Das Hauptproblem in der derzeitigen Klimapolitik wird ausgeklammert: Das ist das bisherige Scheitern der Klima- und Energiepolitik von Präsident Barack Obama in den USA", sagte Klimaexperte Martin Kaiser. "Er hat es immer noch nicht fertiggebracht, in den USA ein nationales Klima- und Energiegesetz zu verabschieden, was immer als Fundament für ein internationales Abkommen kommuniziert wurde."

Der "Zwischengipfel" soll Vertrauen schaffen. "Es macht keinen Sinn, sich die Köpfe heiß zu reden und Jahr für Jahr verstreichen zu lassen", sagte Merkel. Deutsche, Briten und Äthiopier stellten ein Projekt zur Anpassung an die Klimafolgen in Afrika vor. Ideen zum Technologietransfer präsentieren die Inder. Andere Maßnahmen betreffen den Waldschutz. Finanziert werden soll all dies aus dem 30-Milliarden-Dollar-Fonds für Soforthilfen, eines der wenigen Ergebnisse von Kopenhagen.

Doch auch hier klaffen Anspruch und Wirklichkeit auseinander. Statt versprochener 420 Millionen Euro hat die Bundesregierung nur 70 Millionen frisches Geld für 2010 eingeplant, der Rest war schon vorher zugesagt gewesen. Solches "Umetikettieren" sei kein Beitrag zur Vertrauensbildung, klagte de Boer. Ein schlechtes Zeichen ist auch, dass der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) trotz Protests von Röttgen pünktlich zum Klimadialog die Freigabe von 115 Millionen Euro für die energetische Sanierung von Gebäuden verweigert.

Der Stifter des Alternativen Nobelpreises, Jakob von Uexküll, schlägt drastische Methoden vor: Man solle einen kleinen Kreis der wichtigsten Klima-Unterhändler einsperren, bis sie sich geeinigt hätten.