Putin reagiert zurückhaltend: Jeder habe das Recht, seine Meinung kundzutun, solange er sich friedlich verhalte und die Gesetze beachte.

Moskau. Der russische Regierungschef Wladimir Putin hat zurückhaltend auf die Massenproteste gegen Fälschungen bei der Parlamentswahl reagiert. Jeder habe das Recht, seine Meinung kundzutun, solange er sich friedlich verhalte und die Gesetze beachte, teilte Putins Sprecher Dmitri Peskow am Sonntag mit. Das Zentrale Wahlkomitee lehnte es unterdessen ab, über eine Abwahl des umstrittenen Wahlleiters Wladimir Tschurow zu diskutieren. Lediglich zwei Komiteemitglieder der Kommunisten hätten dafür gestimmt, meldete die Agentur Interfax. Die Demonstranten machen den kremlnahen Tschurow für massive Wahlfälschungen bei der Abstimmung am 4. Dezember verantwortlich und fordern seinen Rücktritt.

+++ Proteste nach der Wahl +++

„Wir respektieren die Ansichten der Demonstranten, wir hören, was gesagt wird und wir werden ihnen weiterhin zuhören“, hieß es in Peskows Mitteilung. Am Vortag waren landesweit Zehntausende für freie Wahlen auf die Straßen gegangen. Allein in Moskau demonstrierten nach Angaben der Veranstalter bis zu 100 000 Menschen friedlich, die Polizei sprach von 25 000 Teilnehmern. Eine so massive politische Protestbewegung, die Veranstalter der Demonstration sprechen von bis zu 100.000 Teilnehmern, hat Moskau seit dem Machtantritt von Wladimir Putin vor knapp zwölf Jahren nie gesehen. Die Menschen werden vor allem vom Ärger über die Wahlfälschungen durch Putins Partei Geeintes Russland auf die Straße getrieben. Während die Polizei die Teilnehmerzahl auf 25.000 schätzte, sprachen die Veranstalter von bis zu 150.000 Demonstranten. Diese kamen auf dem Bolotnaja-Platz in der Nähe des Kremls zusammen.

50.000 Polizisten und 2.000 paramilitärische Kräfte mit Wasserwerfern sollten die Demonstration überwachen. Medienberichten zufolge erklärte das Moskauer Schulsystem den (heutigen) Samstagnachmittag zu einem zusätzlichen Unterrichtstag für die neunten bis elften Klassen. Schüler seien erst am Freitag über die Maßnahme informiert worden, hieß es. Offenbar sollten mit diesem Schritt junge Menschen daran gehindert werden, sich dem Protest in der Hauptstadt anzuschließen.

Ein Teilnehmer an der Moskauer Demonstration, Alexander Trofimow, sagte, die Fälschungen, denen sich die Behörden schuldig gemacht hätten, hätten «das Land in ein großes Theater verwandelt, mit Clowns wie in einem Zirkus». Andere Demonstranten erklärten, die Parlamentswahl sei nur ein Katalysator für sie gewesen, ihrem Ärger über die zahlreichen Probleme im Land Luft zumachen. «Wir haben kein unabhängiges Gerichtswesen, es gibt keine Meinungsfreiheit», sagte der Protestteilnehmer Albert Jussupow. «All dies zusammen schafft eine Situation, in der Menschen zum Protest gezwungen sind.»

Kritiker werfen Einiges Russland massiven Betrug bei der Parlamentswahl vor. In den Tagen nach der Wahl gingen bereits Tausende Menschen auf die Straße. Die Polizei ging mit Gewalt gegen die Demonstranten vor, Hunderte Menschen wurden festgenommen.

Der russische Präsident Dmitri Medwedew kündigte diese Woche eine Untersuchung der Betrugsvorwürfe an. Es habe bei der Wahl am Sonntag womöglich Gesetzesverstöße gegeben, sagte er. «Unser Wahlgesetz ist nicht optimal.» Er könne verstehen, dass einige Menschen von dem Wahlergebnis enttäuscht seien. Aber das Resultat entspreche «vollkommen den Einschätzungen von Analysten und öffentlichen Umfragen». (dapd/abendblatt.de)