Moskau. Russland propagiert Schläge gegen IS-Stellungen. Washington bleibt skeptisch. Außenminister Lawrow und Kerry wollen sich absprechen.

Nach ersten russischen Luftangriffen auf Ziele in Syrien wollen Russland und die USA Gespräche über das weitere Vorgehen in dem Bürgerkriegsland führen. Die Verhandlungen könnten bereits am heutigen Donnerstag beginnen, hieß es nach einem Treffen der Außenminister John Kerry und Sergej Lawrow in New York.

Lawrow kündigte an, dass sein Land die Luftangriffe fortsetzen werde. Ins Visier genommen würden einzig Stellungen von „Terroristen“. Er wies Vorwürfe zurück, die Attacken vom Mittwoch hätten gemäßigten Rebellen gegolten, und es habe zivile Opfer gegeben. „Davon ist uns nichts bekannt“, sagte Lawrow der Agentur Interfax zufolge.

Kommentar: Putin will lediglich Assad retten

Das Verteidigungsministerium in Moskau veröffentlichte Satellitenbilder. Darauf sei zu sehen, dass in Syrien unter anderem Munitionsdepots und Treibstofflager sowie Kommandostellen der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) getroffen worden seien, hieß es.

Nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Moskau wurden am Mittwoch mit 20 Luftangriffen acht IS-Stellungen beschossen. Die syrische Führung begrüßte das russische Engagement.

Der russischen Tageszeitung „Kommersant“ zufolge hat Moskau nahe der syrischen Stadt Latakia eine massive Militärpräsenz aufgebaut. Unter anderem seien dort Suchoi-Kampfjets sowie Mehrzweck-Hubschrauber und Bomber stationiert. Das Blatt hatte zuletzt berichtet, dass sich im russischen Marinestützpunkt in der syrischen Hafenstadt Tartus etwa 1700 russische Soldaten befinden sollen. Moskau bestätigt dies nicht.

US-Verteidigung hegt Zweifel an russischer Version

Die USA hatten starke Zweifel daran geäußert, dass der erste Einsatz russischer Kampfflugzeuge IS-Stellungen gegolten hat. US-Verteidigungsminister Ash Carter sagte im Pentagon: „Es scheint, dass sie in Gegenden waren, wo vermutlich keine IS-Kräfte waren.“ Russlands erklärter Kampf gegen den IS und die gleichzeitige Unterstützung Assads drohe die Lage eskalieren zu lassen. Russland „gießt Öl ins Feuer“, sagte Carter.

Russland griff erstmals militärisch in den Bürgerkrieg in Syrien ein. Anders als die USA setzt Moskau auf eine Lösung unter Einbindung der Führung um Präsident Baschar al-Assad. Russland betreibt in Syriens Hafenstadt Tartus eine Militärbasis. Der Westen fürchtet, dass Assad eine russische Intervention zum Kampf gegen Opposition und Zivilbevölkerung nutzen könnte.

Die russische Position sei zutiefst widersprüchlich, sagte Carter. Ohne eine politische Lösung gebe es in Syrien keinen Fortschritt. Vertreter des Pentagon sollten sobald wie möglich mit der russischen Seite zusammentreffen, sagte Carter. Er erwarte dies in den nächsten Tagen.

Kremlsprecher fordert Koordination

Kremlsprecher Dmitri Peskow forderte „alle interessierten Länder“ auf, ihre Handlungen im Syrienkonflikt zu koordinieren. Nach den ersten russischen Luftschlägen sei die Zeit dafür herangereift, sagte der Vertraute von Präsident Wladimir Putin in Moskau.

Peskow wies Berichte zurück, wonach Russland die USA zum Verlassen des syrischen Luftraums während der Angriffe aufgefordert habe. „Das ist nicht korrekt“, sagte Peskow. Im Unterschied zu Syrien habe die Führung des Irak, wo der Islamische Staat ebenfalls aktiv ist, Russland nicht um militärische Unterstützung geben.

Außenamtssprecherin Maria Sacharowa sagte, Russland sei zur Aufklärung über seine Luftangriffe bereit. „Wir haben die internationale Gemeinschaft über die Schritte informiert, die wir unternommen haben - und wir werden Interessierten auch weiter alle Informationen gewähren“, betonte sie der Agentur Interfax zufolge.

Dem russischen Generalmajor Igor Konaschenkow zufolge wurden IS-Munitionsdepots und -Treibstofflager sowie Kommandostellen im Gebirge vollständig zerstört. „Alle Attacken wurden nach den Daten der syrischen Armee durchgeführt“, sagte er laut Agentur Interfax. Ziele in der Nähe ziviler Objekte seien nicht angegriffen worden.

Aber syrischen Aktivisten zufolge attackierten die Kampfflugzeuge Orte nördlich von Homs. Diese werden von gemäßigten Rebellen gehalten. Russland sei durch die Angriffe zum Partner des Regimes bei der Tötung des syrischen Volkes geworden, erklärten die Aktivisten. Bei den Angriffen seien mindestens 27 Menschen gestorben.

Nato-Generalsekretär Stoltenberg äußert Kritik

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg erklärte: „Es wird nicht helfen, Assad zu unterstützen. Das ist kein konstruktiver Beitrag zu einer politischen Lösung.“ Er sagte, die Nato sei von der russischen Seite formell über deren Militäreinsatz informiert worden.

Putin nannte die Intervention seines Landes den „einzigen Weg im Kampf gegen den internationalen Terrorismus“. Er rechne mit Assads Kompromissbereitschaft bei der Beilegung der Krise.

Putin hatte vor den Vereinten Nationen am Montag einen gemeinsamen Kampf gegen den IS gefordert. Er schlägt eine Allianz vor, an der sich auch die Armee des syrischen Regimes beteiligen soll.

Im Pentagon sagte Minister Carter, eine internationale Anti-IS-Koalition aus mehr als 60 Ländern existiere bereits unter Führung der USA. Sie habe bisher 7100 Luftangriffe geflogen und werde dies fortsetzen.