New York. Kremlchef fordert breites Bündnis gegen Dschihadisten. US-Präsident Obama nennt Assad einen „Tyrannen“, Russland könnte Exil anbieten.

Eine Lösung der Syrien- und Flüchtlingskrise droht weiter am Streit zwischen den USA und Russland zu scheitern. Dabei geht es vor allem um die politische Zukunft des syrischen Machthabers Baschar al-Assad. Bei ihren Reden vor der UN-Vollversammlung ließen US-Präsident Barack Obama und sein russischer Amtskollege Wladimir Putin nur ansatzweise erkennen, wo die Schnittmenge liegen könnte, um den wichtigsten Krisenherd dieser Tage zu entschärfen: Syrien. Dort hat die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) weite Teile des Landes unter Kontrolle.

Obama machte zwar klar, dass die USA auch mit Russland und dem Iran zusammenarbeiten wollen, um nach vier Jahren Bürgerkrieg in Syrien das Terrornetzwerk IS zu zerschlagen. Assad könne aber in einem Syrien der Zukunft keine Rolle mehr spielen, erklärte der Chef des Weißen Hauses. „Er hat Fassbomben auf unschuldige Kinder geworfen“, sagte Obama, und nannte den Herrscher in Damaskus einen „Tyrannen“. Die Bruchlinie zu Russland, das in Assad den „rechtmäßig gewählten Führer seines Volkes sieht“, war damit aber nicht gezogen.

Obama ließ das Fenster zu einer Verständigung mit Putin einen Spalt breit offen: „Realismus diktiert die Notwendigkeit von Kompromissen. Und Kompromiss bedeutet einen gestalteten Übergangsprozess weg von Assad hin zu einem neuen Anführer.“

Ein Köder, den Putin, der nach zehn Jahren UN-Abwesenheit eine Stunde später ans Pult trat, demonstrativ unberücksichtigt ließ. Er hatte sein Ziel, Obama in eine Debatte auf Augenhöhe um die russische Beteiligung an der Lösung des Syrien-Konflikts zu zwingen, bereits vorher erreicht. Seine 25-minütige Sprechzeit nutzte der Präsident zu einer teils versteckten Generalabrechnung mit dem, was er als amerikanisches Dominanzstreben ansah.

Putin regt UN-Resolution an

Um den Kampf gegen den IS zu gewinnen, regte Putin eine UN-Resolution an, die alle militärischen Aktivitäten koordinieren solle. Er verglich das dazu nötige Bündnis mit dem Modell der Anti-Hitler-Allianz. „Ähnlich wie bei der Anti-Hitler-Koalition könnte es eine breite Allianz von Kräften vereinigen, die willens sind, denjenigen entschlossen zu widerstehen, die wie die Nazis das Übel und den Hass säen“, betonte Putin. Muslimische Länder würden hier eine Schlüsselrolle spielen.

Putin unterstrich, dass Assad für ihn zentrale Bedeutung habe. „Es ist ein gewaltiger Fehler, nicht mit der syrischen Regierung und ihrer Armee zu kooperieren.“ Nur Assad kämpfe ernsthaft gegen den IS. Obama und Putin trafen sich am späten Abend deutscher Zeit zu ihrem ersten Vieraugengespräch nach einem Jahr Sendepause. Bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe dauerte die Unterredung noch an.

Obama blieb zuletzt nicht verborgen, dass Putin mit seiner Pro-Assad-Haltung nicht allein steht. Auch der Iran und der Irak sprechen sich dafür aus, Assad zu stützen. Irans Präsident Hassan Ruhani beschuldigte den Westen, für die Entwicklung des Terrorismus verantwortlich zu sein. Dass bislang keine Lösung für Syrien gefunden worden sei, liege an „der internationalen Gemeinschaft, die es im Stich gelassen hat“. Franreichs Präsident François Hollane kann sich hingegen keine Lösung des Syrienkonfliks mit Assad vorstellen. Bei mehr als 250.000 Bürgerkriegsopfern sei dies nicht möglich.

Russisches Exil für Assad?

Wie ein Syrien-Kompromiss aussehen könnte, war am Rande des UN-Hauptquartiers Gesprächsstoff in diplomatischen Zirkeln: Assad dürfe nur zur vorübergehenden Stabilisierung von Rest-Syrien bleiben. Später soll ihm ein Platz im russischen Exil angeboten werden. Danach werde der Weg für eine neue Regierung unter Einbeziehung moderater Oppositioneller geebnet. In der Zwischenzeit bekämpfe eine von Washington und Moskau geführte und gemeinsam mit Anrainern wie dem Iran, Türkei und Saudi-Arabien ergänzte Allianz konsequent den IS.

Ob die Idee Chancen hat? Russland-Experten in Washingtoner Denkfabriken erinnern daran, dass es nicht die erste Zweckzllianz wäre. Vor zwei Jahren hatte Obama Assad wegen Giftgas-Einsätzen gegen die eigene Bevölkerung indirekt mit einer militärischen Strafaktion gedroht. Er sprach von „roten Linien“. Aber, so ein Experte: „Putin nutzte den Moment, entspannte die Lage und stellte sicher, dass Russland die Chemiewaffen des Dikators unter UN-Aufsicht entsorgt.“