Paris macht den Mittler für die Griechen. Die EU kommt ihnen entgegen. Berlin pocht auf Einhaltung der Verträge

Brüssel/Berlin. Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte. Im Falle der Euro-Zone scheint das Frankreich zu sein. Denn nachdem Paris in den vergangenen zwei Jahren aufgrund der eigenen wirtschaftlichen Probleme stetig an Einfluss in der Euro-Zone verlor, scheinen die neuen Machtverhältnisse in Griechenland auch den Einfluss der Franzosen zu stärken. Dem Vernehmen nach wird die Regierung in Paris nämlich nicht nur als Mittler im Streit zwischen Athen, Brüssel und Berlin um alte und neue Hilfskredite auftreten. Angeblich werden die Franzosen der Regierung von Alexis Tsipras auch bei der Ausarbeitung von geänderten Reformvorschlägen unter die Arme greifen. Der neuen Regierungsmannschaft in Athen fehlt nämlich vorerst noch die nötige Erfahrung, um sich im Klein-Klein europäischer Verträge schnell zurechtzufinden.

Schon am Wochenende zeichnete sich die Zusammenarbeit ab. Griechenlands Finanzminister Giannis Varoufakis hatte seinen französischen Amtskollegen Michel Sapin in Paris besucht. Ein ähnlicher Termin bei Wolfgang Schäuble (CDU) ist bis heute lediglich angedacht, Daten gibt es noch nicht – und das, obwohl Deutschland noch vor Frankreich größter Gläubiger Athens ist. Es war der erste Hinweis auf die neuen Verhältnisse in der EU. Athen sucht sich Unterstützer in der Auseinandersetzung mit Deutschland um das laufende Reformprogramm und neue Hilfen. In Berlin sieht man die Entwicklung in Europa dann auch nicht so gelassen, wie man gern tut. Als das „Handelsblatt“ berichtet, EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sei bereit, ersten Forderungen der Griechen nachzukommen und die Troika aus Internationalem Währungsfonds (IWF), EU und Europäischer Zentralbank (EZB) aufzulösen, war man in der Bundesregierung sichtlich bemüht, diese Nachricht wieder abzuräumen.

Die Rolle der Troika im Rahmen des Hilfsprogramms stehe nicht zur Disposition. Auf Deutsch: ohne Troika keine weiteren Hilfen. „Wir werden einseitige Veränderungen des Reformprogramms nicht akzeptieren“, sagte Schäuble. Auch die SPD forderte die griechische Regierung auf, Zusagen umzusetzen. Es sei wenig hilfreich, die Reformprogramme und die Rückzahlungen infrage zu stellen, sagte Generalsekretärin Yasmin Fahimi. Im Gegenzug könne sich Griechenland auf die Solidarität in Europa verlassen. In Regierungskreisen hieß es: „Die EU-Kommission will die Rolle der Troika nicht abschaffen.“ Diese sei ja fest in den Verträgen verankert. Aus deutscher Sicht könne man ja den Spitznamen „Troika“ der Beobachtermission ändern, „die Rolle der drei Institutionen aber nicht.“ Wichtig ist der Bundesregierung vor allem, dass der IWF bei weiteren Hilfen für Griechenland an Bord bleibt. In Deutschland traut man der EU-Kommission nicht. Diese gilt als viel zu nachgiebig gegenüber den südeuropäischen Schuldenländern.

In Griechenland selbst wiederum gilt der IWF dagegen neben Deutschland als einer der vehementesten Verfechter für die harten Reformen. Schon die vorherige konservative Regierung von Antonis Samaras wollte den IWF lieber früher als später aus dem Land werfen. Gerade den Konservativen in der CDU dürfte das Angela Merkel aber kaum vermitteln können. Die hatten ihre Zustimmung zu den Griechenland-Hilfen immer auch unter der Prämisse gegeben, dass der IWF die Reformen vor Ort gemeinsam mit der EU überwacht. Dabei ist es nicht so, dass die Bundesregierung nicht selbst schon über ein Ende des Troika-Regimes und seiner regelmäßigen Kontrollbesuche in Athen nachgedacht hätte. Mitte vergangenen Jahres war man zu Zugeständnissen an die damals regierende Koalition in Athen bereit – aber eben erst nach erfolgreichem Ende des jetzt laufenden zweiten Sparprogramms.

Aufmerksam beobachtet man in Berlin dagegen jetzt jede Äußerung, die aus Athen kommt. Varoufakis, der harte Hund, der die Troika rausschmeißt. Alexis Tsipras, sein Ministerpräsident, der deutlich konzilianter nach außen auftritt. Varoufakis, der Ökonomieprofessor mit einer Vorliebe für die Spieltheorie, macht, was er zuvor gelehrt hat: Er geht frontal auf den Gegner zu, um diesen möglichst zu verunsichern und sich dabei in den Verhandlungen einen Vorteil zu erarbeiten.

Wenig Entgegenkommen dürften die Griechen dagegen beim Thema Schuldenschnitt bekommen. Weder Frankreich noch Deutschland werden auf einen Teil der Milliarden verzichten können, die sie als Hilfskredite nach Athen überwiesen haben. Politisch und finanziell wäre das nicht vermittelbar. Auch der Regierung Tsipras scheint das bewusst zu sein. Denn dort spricht man nicht mehr von einem Schuldenerlass, sondern von Schuldenerleichterungen – und dazu könnten auch längere Zahlungsfristen und noch einmal gesenkte Zinsen gehörten. Einigt man sich auch in anderen Reformfragen, wird sich die Bundesregierung einem solchen Schritt vermutlich nicht verweigern.

Mahnende Worte musste sich Varoufakis auch in London anhören. Sein britischer Amtskollege George Osborne warnte nach einem Treffen, ein Patt zwischen Griechenland und der Euro-Zone würde schnell zum größten Risiko für die Weltwirtschaft werden. Er forderte Varoufakis auf, verantwortlich zu handeln. Allerdings müsse die Euro-Zone einen besseren Plan für Wachstum und Beschäftigung entwickeln.