Laut aktuellen Prognosen kann das Linksbündnis um Alexis Tsipras die Erwartungen noch toppen. Mit dem Bonus, den das griechische Wahlrecht für den Sieger bereit hält, könnte es zur absoluten Mehrheit reichen.

Athen. Die international mit Spannung erwartete Parlamentswahl im krisengeschüttelten Griechenland läuft. Seit 6 Uhr am Sonntagmorgen sind rund 9,8 Millionen Wahlberechtigte aufgerufen, ein neues Parlament zu bestimmen. Die Wahl lief nach Angaben des Innenministeriums ohne größere Probleme an. Umfragen deuten darauf hin, dass das Linksbündnis Syriza und sein Chef Alexis Tsipras als stärkste Kraft aus diesem Wahlgang hervorgehen und die Regierungskoalition von Konservativen und Sozialisten unter Ministerpräsident Antonis Samaras ablösen könnte.

Die Wahl gilt als richtungsweisend für den Verbleib des hochverschuldeten Landes in der Eurozone. Tsipras will im Fall eines Wahlsieges das Sparprogramm lockern und bei den internationalen Gläubigern einen Schuldenerlass durchsetzen. Sollte es dabei zu keiner Einigung kommen, könnte Griechenland im äußersten Fall gezwungen werden, aus der Eurozone auszutreten.

Nach der Parlamentswahl in Griechenland beraten die Euro-Finanzminister am Montag über den weiteren Kurs. Beschlüsse zum griechischen Rettungsprogramm werden nicht erwartet, da die Eurogruppe eine neue Regierung in Athen abwarten will. Die Zeit drängt, denn das schon einmal verlängerte Rettungsprogramm der Europäer läuft Ende kommenden Monats aus. Am Rande wollen die Ressortchefs von elf EU-Staaten versuchen, neue Kompromisslinien für die umstrittene Steuer auf Finanztransaktionen auszuloten.

Im Land herrscht Wahlpflicht. Es wird jedoch nicht kontrolliert, ob die Menschen ihre Stimme abgeben. Die Wahllokale schließen um 18 Uhr (MEZ). Unmittelbar danach werden erste Prognosen erwartet. Mit Hochrechungen wird etwa zweieinhalb Stunden später gerechnet.

Abendblatt.de hält Sie über die Griechenland-Wahl auf dem Laufenden:

+++ Samaras räumt Niederlage ein +++

21.51 Uhr: Der griechische Ministerpräsident Antonis Samaras hat nach Angaben des Linksbündnisses Syriza seine Niederlage bei der Parlamentswahl eingeräumt. Der Politiker der konservativen Partei Nea Dimokratia habe Syriza-Chef Alexis Tsipras nach der Bekanntgabe erster Hochrechnungen angerufen und ihm zum Wahlsieg gratuliert, teilte Tsipras' Büro der Nachrichtenagentur AFP in Athen mit. Tsipras habe geantwortet, in der Politik gebe es „Freude und Sorgen“.

+++ Reaktionen auf den Wahlsieg der Syriza +++

19.25 Uhr: Der Euro gab im australisch-asiatischen Handel unmittelbar nach Bekanntgabe der Prognosen um rund einen halben Cent nach und fiel unter die Marke von 1,12 Dollar. Bundesbank-Präsident Jens Weidmann sagte ein einer ersten Reaktion in der ARD, Griechenland sei nach wie vor auf Hilfen seiner Partner angewiesen. „Und das heißt natürlich auch, dass es ein solches Programm nur geben kann, wenn die Verabredungen auch eingehalten werden.“

19.36 Uhr: Die Sozialdemokraten im Europaparlament haben den griechischen Wahlgewinner Alexis Tsipras vom Linksbündnis Syriza aufgefordert, eine proeuropäische Koalition zu bilden. Die Neuverhandlung der hohen griechischen Staatsschulden sollte kein Tabu mehr sein, erklärte der Fraktionsvorsitzende Gianni Pittella am Sonntagabend in Brüssel. „Die Griechen haben sich deutlich dafür entschieden, mit dem harten Sparkurs (Austerität) zu brechen(...)“, so der italienische Sozialdemokrat.

19.18 Uhr: Die Alternative für Deutschland (AfD) plädiert nach dem Wahlerfolg der linken Syriza-Partei in Griechenland für einen Schuldenschnitt. Allerdings müsse dieser von einem Austritt Griechenlands aus dem Euro begleitet sein, sagt der AfD-Vorsitzende Bernd Lucke am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur. Nur durch einen Austritt aus der Währungsunion könnten die wirtschaftliche Misere und die Massenarbeitslosigkeit in Griechenland beendet werden. Lucke sagte: „Nun will Syriza den Euro nicht in Frage stellen, sondern verlangt Schuldenstreichung und weitere Kredite. Das passt nicht zusammen.“

19.15 Uhr: Die CSU ist überzeugt, dass Griechenland nach dem Wahlsieg des Linksbündnisses Syriza weiter an dem Reformkurs der Vorgänger-Regierung festhalten. Die Partei von Alexis Tsipras werde sich der Wirklichkeit stellen müssen, wenn sie regieren wolle, erklärte die Vorsitzende der CSU-Gruppe im Europaparlament, Angelika Niebler, am Sonntagabend.

„Ein weiterer Schuldenschnitt für Griechenland ist unrealistisch, da hierdurch die Probleme nicht gelöst werden. Griechenland muss weiterhin seine Strukturreformen durchführen und seinen Haushalt konsolidieren“, unterstrich sie. Im Übrigen hätte ein Schuldenschnitt in den kommenden Jahren ohnehin keine Auswirkungen auf den griechischen Haushalt. Die Tilgung der europäischen Kredite beginne erst 2020, die Verzinsung sei minimal und die Laufzeiten schon betragen 30 Jahre.

19.13 Uhr: Bundesbankpräsident Jens Weidmann pocht auf die Umsetzung der vereinbarten Reformen. „Klar ist, dass Griechenland auch weiterhin auf Unterstützung durch ein Hilfsprogramm angewiesen sein wird. Und das heißt natürlich auch, dass es ein solches Programm nur geben kann, wenn auch die Verabredungen eingehalten werden“, sagte er am Sonntagabend in der ARD. „Ich hoffe, dass die neue griechische Regierung keine illusionären Versprechungen macht, die sich das Land nicht leisten kann.“

Entscheidend sei, dass die öffentlichen Finanzen Griechenlands dauerhaft tragfähig würden. „Solange das nicht der Fall ist, würde auch ein Schuldenschnitt nur eine kurze Atempause gewähren“, sagte Weidmann.

+++ Absolute Mehrheit in Reichweite: Syriza liegt laut aktuellen Prognosen deutlich in Führung +++

18.21 Uhr: Bei der Parlamentswahl in Griechenland ist das Linksbündnis Syriza am Sonntag laut Nachwahlbefragungen stärkste Kraft geworden. Den Prognosen zufolge erreichte die Partei zwischen 35,5 und 39,5 Prozent der Stimmen. Sie lag demnach deutlich vor der konservativen Regierungspartei Nea Dimokratia von Ministerpräsident Antonis Samaras, die laut Prognosen zwischen 23 und 27 Prozent der Stimmen auf sich vereinen konnte.

In Griechenland hält das Wahlrecht einen besonderen Bonus für den Sieger bereit. 250 der 300 Sitze werden in einfacher Verhältniswahl vergeben. Die stärkste Partei erhält einen Zuschlag von 50 Sitzen. Damit sollen die Chancen für die Bildung einer starken Regierung erhöht werden. Für den Einzug ins Parlament gilt eine Drei-Prozent-Hürde.

+++ Protest gegen Veröffentlichung von Prognosen +++

16.46 Uhr: Die konservative griechische Partei Nea Dimokratia (ND) hat am Sonntag gegen die Veröffentlichung angeblicher Wahlprognosen auf griechischen und internationalen Internetseiten protestiert. Die Veröffentlichung sei eine „noch nie dagewesene, miese Aktion“, hieß es in einer Mitteilung der Partei. Ziel derjenigen, die diese Zahlen in die Welt setzten, sei es, den Willen der Wähler zu manipulieren. Die Partei von Ministerpräsident Antonis Samaras rief die Justiz des Landes auf, sofort zu intervenieren.

+++ Syriza hat steilen Aufstieg hinter sich +++

14.31 Uhr: Von Wahl zu Wahl hat die Linkspartei Syriza, die 2004 erstmals als Wahlbündnis linker griechischer Parteien und Organisationen angetreten war, immer stärker von sich hören gemacht. Von 4,6 Prozent im Jahr 2009 steigerte sich das Bündnis im Mai 2012 auf 16,8 Prozent und wurde mit 52 Abgeordneten zweitstärkste Kraft im Parlament. Nur einen Monat später wurden Neuwahlen fällig, die der jetzt offiziell als Partei registrierten Linken einen weiteren Schub auf 26,9 Prozent und 71 Mandate brachten.

Wahlumfragen trauten der Syriza und ihrem Vorsitzenden Alexis Tsipras zuletzt einen Spitzenwert von 33,5 Prozent zu – damit wäre die Linkspartei stärkste Fraktion im Athener Parlament. Syriza will die harte Sparpolitik in Griechenland beenden – und das sofort. Die Mindestlöhne im Privatsektor sollen auf das Niveau vor der Krise steigen, von 586 auf 751 Euro. Niedrige Renten sollen angehoben, Privatisierungen sofort gestoppt werden. Mindestens 9500 entlassene Staatsbedienstete sollen zurück an ihren Arbeitsplatz.

Die wichtigste Forderung des Linksbündnisses ist jedoch ein Schuldenschnitt für das Land, über den eine internationale Konferenz entscheiden soll.

+++ Stichwort Schuldenschnitt in Griechenland +++

13.39 Uhr: Bei einem Schuldenschnitt wird einem Land ein Teil seiner Schulden erlassen. Die Geldgeber verzichten auf die Rückzahlung von Krediten und damit auf Forderungen. Im Falle Griechenlands schrieben im Frühjahr 2012 die Privatgläubiger - Banken, Versicherungen, Hedgefonds – freiwillig die Hälfte ihres Geldes ab. Athen wurden somit gut 100 Milliarden Euro erlassen. Zwei Drittel der Rest-Schulden werden von öffentlichen Geldgebern gehalten.

Tsipras hat für den Fall eines Wahlsieges Verhandlungen mit den Geldgebern über einen weiteren Schuldenschnitt angekündigt. Die jedoch pochen auf die Einhaltung der Reformzusagen. Einen Schuldenschnitt, der zulasten der öffentlichen Geldgeber gehen würde, lehnt auch Berlin strikt ab: Die deutsche Staatskasse würde er Milliarden kosten. Verluste würden aber auch bei einem Austritt Griechenlands („Grexit“) aus der Euro-Zone und einer Staatspleite drohen. Das Risiko Deutschlands beläuft sich auf 70 bis 80 Milliarden Euro. Wie viel verloren ginge, kann niemand sagen. Genauso wenig sind die Folgekosten insgesamt abzuschätzen, wenn die Euro-Zone in starke Turbulenzen geriete.

+++ Athener Bischof fordert mehr Ehrlichkeit +++

13.26 Uhr: Der katholische Erzbischof von Athen hat von den Politikern in Griechenland mehr Ehrlichkeit gefordert. „Wir als Kirche sagen eines: Die Politiker müssen die Wahrheit sagen! Die moralische Krise, die die bisherigen Regierungen ausgelöst haben, ist bei den Leuten angekommen. Deshalb befinden wir uns jetzt in dieser Situation“, sagte Sevastianos Rossolatos im Interview dem Sender „Radio Vatikan“. Die Politiker müssten das Wohl des Landes vor ihr eigenes parteipolitisches Kalkül stellen, so der Erzbischof. Das Land könne es sich nicht leisten, keine stabile Regierung zu haben.

Die Katholiken sind in Griechenland eine Minderheit. Nach vatikanischen Angaben sind von den rund 11,3 Millionen Einwohnern 140.000 Katholiken.

Die Mehrheit der Griechen wolle keineswegs die Europäische Union verlassen oder den Euro aufgeben, so der Erzbischof in dem Interview weiter. Es sei jedoch eine starke antieuropäische Stimmung wahrnehmbar.

+++ Euro-Austritt Griechenlands wäre Novum +++

12.58 Uhr: Die Euro-Schuldenkrise hat viele neue Begriffe hervorgebracht. Dazu gehört auch der Ausdruck „Grexit“. Das Wort setzt sich aus „Greece“ und „exit“ zusammen und meint das Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone. Ein solches Szenario ist jedoch ohne Vorbild, und es ist in den EU-Verträgen auch nicht vorgesehen. Juristisch unbestritten ist, dass beispielsweise die anderen Mitgliedsländer keinen Rauswurf Athens aus dem gemeinsamen Währungsraum beschließen könnten. Theoretisch könnte Griechenland allenfalls selbst einen Austritt erklären. Aber auch in diesem Fall wäre das Neuland für das gesamte Euro-System, das dafür keine Regelungen kennt.

Präsident warnt vor harten Jahren

Alexis Tsipras, Chef des Linksbündnisses, zeigte sich nun zuversichtlich. „Heute entscheidet das griechische Volk, ob die harte Sparpolitik fortgesetzt wird oder ob das Land einen Neuanfang startet, damit die Menschen in Würde leben können“, sagte er nach der Stimmabgabe in Athen. Wegen des riesigen Presseandrangs hatte Tsipras Schwierigkeiten, ins Wahllokal im Athener Stadtteil Kypseli zu gelangen.

Der konservative Regierungschef Antonis Samaras ging bereits früh am Morgen in der kleinen Touristen-Hafenstadt Pylos auf der Halbinsel Peloponnes wählen. Vom Ergebnis der Wahl hänge es ab, ob das Land „seinen europäischen Kurs fortsetzt“, sagte er. Viele unentschlossene Wähler würden seiner Nea Dimokratia ihre Stimme geben, zeigte sich Samaras zuversichtlich.

Der griechische Staatspräsident Karolos Papoulias warnte, Griechenland stünden harte Jahre bevor. Er rief das griechische Volk auf, kühlen Kopf zu bewahren. Papoulias' Amtszeit endet Anfang März.

Das neue Parlament wird auch die Aufgabe haben, einen neuen Staatspräsidenten zu wählen. Ende 2014 war die Wahl eines neuen Staatsoberhaupts gescheitert. Aus diesem Grund wurde die vorgezogene Parlamentswahl notwendig.