Spezialkommandos der Polizei stürmen Druckerei und jüdischen Supermarkt. IS droht mit weiteren Angriffen in Europa

Paris/Berlin. Es war eine beispiellose Terrorwelle, die am Freitagabend endlich ihr Ende fand: Nach zwei Geiselnahmen und Schießereien hat die französische Polizei die mutmaßlichen Attentäter auf die Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ überwältigt und getötet. Wie am frühen Abend bekannt wurde, stürmten Eliteeinheiten gegen 17 Uhr eine Druckerei rund 50 Kilometer nordöstlich von Paris in der Ortschaft Dammartin-en-Goële, in der sich die Brüder Said und Chérif Kouachi mit einer Geisel verschanzt hatten. Sie waren mit Kalaschnikows und einem Raketenwerfer bewaffnet. Die Geisel sei frei und unverletzt, hieß es.

Die Polizei griff auch bei der zweiten Geiselnahme im Osten von Paris zu. In dem jüdischen Lebensmittelladen sollen fünf Menschen getötet worden sein, darunter der Geiselnehmer Amedy Coulibaly. Im französischen Fernsehen waren vier Explosionen zu hören. Mehrere Menschen waren beim Zugriff der Polizei aus dem Lebensmittelladen gerannt. Es wird vermutet, dass der Täter, der am Donnerstag im Süden der Hauptstadt eine Polizistin erschossen hatte, der bewaffnete Mann dort war. Er war seither auf der Flucht. Französische Medien berichteten, er habe beim Betreten gerufen: „Ihr wisst, wer ich bin.“ Er soll die Attentäter von „Charlie Hebdo“ gekannt haben und Mitglied der Dschihadisten-Gruppe gewesen sein, zu der auch die mutmaßlichen „Charlie Hebdo“-Attentäter gehörten. Diese hatten am Mittwoch die Redaktion des Magazins überfallen und zwölf Menschen getötet.

Chérif Kouachi ist nach eigenen Angaben vom Terrornetzwerk al-Qaida im Jemen beauftragt und finanziert worden. Kouachi hatte dies am Freitag dem Sender BFMTV berichtet. Coulibaly hatte zu BFMTV gesagt, er gehöre zur Dschihadisten-Gruppe „Islamischer Staat“ (IS) und habe sich mit den „Charlie Hebdo“-Attentätern abgestimmt.

Vorausgegangen war beiden Aktionen ein stundenlanger Nervenkrieg. Die Hauptverdächtigen des „Charlie Hebdo“-Attentats waren der Polizei trotz eines unvergleichlichen Großaufgebots und der höchsten Terrorwarnstufe zwei Tage lang entwischt. Fast 90.000 Einsatzkräfte waren an der Suche beteiligt. Zehn Kilometer vor dem Flughafen Charles de Gaulle konnten die Brüder nach einer Verfolgungsjagd gestoppt werden. Nach einer Schießerei folgte die Geiselnahme in der Druckerei in dem 8000-Einwohner-Dorf am Freitagmorgen.

Die Einsatzkräfte nahmen telefonisch Kontakt mit den Gesuchten auf. Dabei sollen diese angekündigt haben, den Märtyrertod sterben zu wollen, wie der Abgeordnete Yves Albarello dem Fernsehsender i-Télé sagte.

Der IS drohte mit einer Terrorkampagne und Angriffen in Europa und den USA. „Wir haben mit der Operation in Frankreich begonnen, für die wir die Verantwortung übernehmen“, sagte IS-Prediger Abu Saad al-Ansari in einer Moschee im nordirakischen Mossul. „Morgen werden es Großbritannien, die USA und andere sein.“

Die tragischen Ereignisse entfachten den Streit über schärfere Gesetze zur Terrorabwehr in Deutschland, auch in der Großen Koalition. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) unterstützte den CSU-Vorstoß, die Vorratsdatenspeicherung wieder zu erlauben. Justizminister Heiko Maas (SPD) ist dagegen: „Purer Aktionismus stoppt keine Terroristen.“