Für den US-Präsidenten wird das Regieren in seinen letzten beiden Amtsjahren noch schwieriger. Demokraten verlieren bei Kongresswahl auch den Senat

Washington. US-Präsident Barack Obama hat die Niederlage seiner Demokraten bei den Kongresswahlen eingestanden. „Die Republikaner hatten offensichtlich einen guten Abend“, sagte Obama am Mittwoch in seiner ersten öffentlichen Reaktion auf das Wahlergebnis. Er gratuliere der Opposition zu ihrem gelungenen Wahlkampf. Der Präsident versprach, das Wählervotum ernst zu nehmen. „Ich bin begierig darauf, mit dem neuen Kongress zu arbeiten, um die kommenden zwei Jahre so produktiv wie möglich zu machen.“ Er wisse, dass er als Präsident dabei eine besondere Verantwortung habe.

Die Midterm Elections haben nicht nur die politische Landschaft der USA brutal durchpflügt, sondern auch den Präsidenten ganz persönlich gebeutelt. Mindestens 52 Republikaner sitzen künftig im 100-köpfigen Senat, in dem die Demokraten zuvor eine Mehrheit hatten. Sieben demokratische Senatoren wurden von Kandidaten der „Grand Old Party“ gekippt – einen solchen massiven Erdrutsch gab es seit 1980 nicht mehr, als gleich ein Dutzend Demokraten enttrohnt wurde. Noch stehen die Ergebnisse für Alaska, wo die Auszählung läuft, und für Louisiana, wo ein Republikaner mit den besseren Chancen am 6. Dezember in eine Stichwahl geht, aus. In Virginia immerhin dürfte der demokratische Senator Mark Warner die Nachzählung überstehen und mit einem Vorsprung von 12.000 Stimmen unter 2,2 Millionen Wählern sein Amt knapp verteidigen.

Mit der verlorenen Mehrheit im Senat enden die schlechten Nachrichten für die Demokraten nicht. Im Repräsentantenhaus, das die Republikaner seit 2010 beherrschen, verlor die Partei weitere 13 Mandate. Und mindestens drei weitere Gouverneursposten gehen an die Republikaner, darunter in vermeintlichen demokratischen Erbhöfen wie Massachusetts und Maryland.

„Alle, die gewählt haben, will ich wissen lassen: Ich habe euch verstanden. An die zwei Drittel der Wähler, die entschieden haben, nicht teilzunehmen: Euch verstehe ich auch“, sagte Obama am späten Mittwochabend (MEZ). Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hielt sich mit einem Kommentar zurück. Außenminister Frank-Walter Steinmeier nahm das Ergebnis „mit Respekt“ zur Kenntnis. Der SPD-Mann mahnte aber: „Gerade angesichts der drängenden Krisen in der Welt ist ein handlungsfähiges Amerika sehr wichtig. Politische Blockaden in Washington können wir uns nicht leisten.“

Sämtliche 435 Mitglieder des Repräsentantenhauses sowie 36 Senatoren und Gouverneure standen bei diesen Zwischenwahlen auf dem Prüfstand. Dabei kamen die massiven Niederlagen der Demokraten nicht überraschend. Ihre Ursachen lassen sich mit zwei Stichwörtern erklären. Erstens werden ihre Repräsentanten mit Obama identifiziert, und der Hoffnungsträger des Jahres 2008 ist längst zur Bürde seiner Partei geworden. Und zweitens war die Wählerschaft diesmal älter, männlicher und weißer als etwa bei der Wiederwahl des Präsidenten im Jahr 2012. Viele Jungwähler, Frauen sowie Hispanics blieben daheim, weil Obamas Politik sie enttäuschte. Ihnen fehlten angemessen bezahlte Arbeitsplätze und Reformen beim Einwanderungsrecht.

Abgerechnet haben die Wähler darum vor allem mit Obama selbst. So sehr sich die Kandidaten der Demokraten bemühten, regionale und lokale Themen in den Vordergrund zu rücken, überlagerte doch der Unmut über das Weiße Haus die nationale Stimmung. Diese Politik, die vor sechs Jahren mit dem „Yes we can“-Versprechen begann und in eine „Ich weiß nicht genau“-Ratlosigkeit mündete, erreicht die Menschen seit Langem nicht mehr.

Es gibt kein objektives Kriterium für die Frage, wie schnell sich eine Wirtschaft nach Bankenpleiten und einer Weltfinanzkrise erholen muss. Entscheidend ist der subjektive Eindruck der Wähler, dass dies zu langsam geschah. Zwar sank die Arbeitslosenquote von zwischenzeitlich zehn Prozent auf 5,9 Prozent. Doch viele der neuen Jobs sind schlecht bezahlt. Die vom Präsidenten versprochene Stärkung der Mittelklasse blieb aus. In den entscheidenden Monaten vor der Wahl kamen Eingeständnisse Obamas hinzu, er verfüge für den Kampf gegen die Steinzeit-Dschihadisten vom Islamischen Staat (IS) über keine Strategie, auch herrscht Verunsicherung wegen einzelner Ebola-Infektionen in den Vereinigten Staaten. Im Kampf gegen die Seuche will Obama jetzt kräftig nachlegen: Er beantragte am Mittwoch beim Kongress 6,2 Milliarden Dollar (knapp fünf Milliarden Euro) zusätzlich, um die Krankheit in Westafrika einzudämmen und ein Übergreifen auf die USA zu vermeiden. Außerdem drängte er den Kongress, sich klar hinter den Militäreinsatz gegen den IS zu stellen. Er werde mit dem Parlament zusammenarbeiten, um eine Autorisierung zustande zu bekommen.

Das allein wird ihn nicht retten: Obama läuft Gefahr, die letzten beiden Jahre seiner Amtszeit als „lame duck“, als lahme Ente ohne jede Gestaltungskraft, zubringen zu müssen. Im Präsidentschaftswahlkampf 2016 dürfte Hillary Clinton (oder jeder andere Kandidat der Demokraten) weitgehend auf seine Dienste als Kampagnenredner verzichten. Das mag ungerecht sein, weil die von Obama durchgesetzte Gesundheitsreform sozialen Fortschritt für die USA bedeutet. Obamacare wird darum in Kraft bleiben, so sehr republikanische Politiker die Agitation gegen das in großen Teilen der Wählerschaft unpopuläre Konstrukt einer Pflichtversicherung als Sprungbrett für ihre Wahlerfolge nutzten. Republikaner und Demokraten müssen zur Kultur der Kompromissfähigkeit zurückfinden. Ob dies vor 2016 gelingt, bleibt zweifelhaft.