Das Rennen ist eröffnet: Trotz Obamas Schlappe bei Kongresswahlen ist der Präsidentschaftswahlkampf in den USA offen

Selten war ein neuer US-Präsident mit so vielen Vorschusslorbeeren bedacht worden wie Barack Obama im Jahr 2008. Vor allem auch in Deutschland glaubten viele an ein liberaleres, soziales und entmilitarisiertes Amerika. Der Friedensnobelpreis kam quasi als Startprämie obendrauf. Manche glaubten schon, Obama könne übers Wasser gehen. Würde er dieses Kunststück heute schaffen, hieße es wohl eher, schwimmen kann er auch nicht.

Nach sechs Jahren Präsidentschaft ist die Ernüchterung in den USA und auch im Rest der Welt groß. Seine Mehrheiten zu Beginn seiner ersten Amtszeit hat Obama nicht effektiv genutzt. Selbst die eigenen Anhänger werfen ihm mittlerweile Fehler bei zahlreichen innenpolitischen Themen wie der Gesundheitsreform vor. In außenpolitischen Krisen wie in der Ukraine, in Syrien und im Umgang mit der Seuche Ebola handelt er zudem schwach und zögerlich. Und Schwäche ist kein Attribut, das Amerikaner in Verbindung mit ihrem Präsidenten sehen möchten. Zu intellektuell und abgehoben kommt er zudem vielen seiner Landsleute vor.

Der einst strahlende Obama und seine Demokraten haben ihre Mehrheiten nach dem Repräsentantenhaus nun auch im Senat verloren. Und das deutlicher als ohnehin befürchtet. Dabei gab es bei den Kongresswahlen des Jahres 2014 kein einziges inhaltliches Thema, das die Abstimmung dominiert hätte. Getrieben waren die Bürger vielmehr von einer allgemeinen Unzufriedenheit. Und die wird üblicherweise dem Präsidenten und den Seinen angelastet und nicht der Opposition, auch wenn diese einen erheblichen Anteil am Stillstand im Lande hat.

Für den Rest seiner Amtszeit wird es Obama nun noch schwerer haben als bisher, irgendetwas zu bewegen. Zumal sich das Land in einem Jahr bereits wieder in den Wahlkampfmodus für die nächste Präsidentschaftswahl begeben wird. Doch genau das ist auch der Grund, warum sich die Republikaner nicht auf ihrem augenblicklichen Erfolg ausruhen können. Eine konsequente Obstruktionspolitik, ein stetes Nein zu allem, was Obama noch in die Wege leiten will, fällt auch auf sie zurück und würde die Chancen des republikanischen Präsidentschaftskandidaten nicht erhöhen.

Der neue Mehrheitsführer im Senat, Mitch McConnell, deutet schon die Bereitschaft zum Kompromiss an. Möglich scheint der etwa in der Steuer- und Handelspolitik oder dem Ausbau der Infrastruktur – unwahrscheinlich ist eine Verständigung etwa bei der Einwanderungspolitik, der Defizitbekämpfung oder gar bei der Gesundheitsreform, die Obama im Rechtsaußenlager quasi unter Kommunismusverdacht gebracht hat.

Um zu vorzeigbaren politischen Ergebnissen zu kommen, müssen allerdings die Republikaner zuerst mit sich selbst ins Reine kommen, müssen die innerparteiliche Kluft zwischen erzkonservativer Tea-Party-Bewegung und dem pragmatischen Flügel überbrücken.

Um in der Bevölkerung an Popularität zu gewinnen, genügt es nicht, zu wissen und zu verkünden, wogegen man ist. Das republikanische Programm zielt zudem noch immer auf ältere weiße Wähler ab. Aber auch die US-Gesellschaft wird jünger, bunter und liberaler. Und viele aus dieser Wählerschicht sind diesmal aus Enttäuschung oder Bequemlichkeit zu Hause geblieben. Der Mobilisierungsgrad bei Präsidentschaftswahlen ist aber ein ungleich höherer. Und schließlich wird es dann vor allem auch auf die Ausstrahlung und die Zugkraft der jeweiligen Kandidaten ankommen.

So klar die Niederlage der Demokraten und die Schlappe für Obama bei diesen Kongresswahlen auch ausgefallen sind – das Rennen um die nächste Präsidentschaft hat gerade erst begonnen und ist völlig offen.