In der Nähe der ostukrainischen Stadt Mariupol hat es in der Nacht zum Sonntag Explosionen gegeben. Dabei hat es nach offiziellen Angaben auch das erste Todesopfer seit Inkrafttreten der Waffenruhe gegeben.

Mariupol. Trotz der vereinbarten Waffenruhe ist in der Ostukraine am Wochenende weiter an verschiedenen Orten gekämpft worden. Unter anderem flammten in der Hafenstadt Mariupol neue Kämpfe auf, bei denen eine Frau getötet wurde. Nahe der Rebellenhochhochburg Donezk war am Sonntag Artilleriefeuer zu hören, wie AFP-Journalisten berichteten. Russland kündigte unterdessen eine „Reaktion“ an, sollte die EU weitere Wirtschaftssanktionen beschließen.

Nach Angaben der Stadtverwaltung von Mariupol beschossen prorussische Aufständische in der Nacht zum Sonntag einen Kontrollpunkt an der östlichen Stadtausfahrt. Dabei sei auch eine Tankstelle zerstört worden. Eine Frau sei getötet und drei weitere Menschen verletzt worden. Verängstigte Bewohner brachen demnach in Panik aus. AFP-Reporter berichteten von einem brennenden Lastwagen in der Nähe des Kontrollpunkts und beschädigten Gebäuden. Zu sehen waren auch drei Panzer.

In der Nähe des Flughafens von Donezk war am Sonntag Artilleriefeuer zu hören, wie eine AFP-Journalistin berichtete. Unklar war zunächst, wer für den Beschuss verantwortlich war. Während die Stadt selbst in der Hand prorussischer Rebellen ist, wird der Flughafen von den ukrainischen Regierungstruppen kontrolliert.

Die neuen Kämpfe flammten nur Stunden nach einem Telefonat zwischen dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko und seinem russischen Kollegen Wladimir Putin wieder auf. In dem Gespräch hatten beide Staatschefs am Samstag erklärt, die Waffenruhe werde „im Allgemeinen“ eingehalten.

Bereits zuvor hatten sich allerdings ukrainische Regierungstruppen und Rebellen gegenseitig den Bruch der am Freitag vereinbarten Feuerpause vorgeworfen. Ein Separatistenvertreter erklärte am Samstag, die Feuerpause sei drei Stunden nach Inkrafttreten von den Regierungstruppen bei Donezk gebrochen worden. Auch der selbsternannte Regierungschef der „Volksrepublik Donezk“, Alexander Sachartschenko, sagte, es sei „zu früh, um von einer kompletten Waffenruhe zu sprechen“. Die ukrainische Armee erklärte umgekehrt, es habe „eine Reihe von Provokationen durch die Rebellen“ gegeben.

Ziel nicht aufgegeben

Erst am Freitag hatten sich die Konfliktparteien auf die Feuerpause geeinigt. Vertreter Kiews, Moskaus, der Separatisten und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) waren in Minsk zusammengekommen, um die seit fünf Monaten andauernden Kampfhandlungen mit rund 2600 Toten ein Ende zu setzen. Die Konfliktparteien vereinbarten zudem einen Truppenabzug und einen Gefangenenaustausch. Außerdem soll den Städten Donezk und Lugansk ein „spezieller Status“ gewährt sowie in der Grenzregion zu Russland eine Sicherheitszone eingerichtet werden. Der Parlamentssprecher der „Volksrepublik Donezk“, Boris Litwinow, sagte AFP am Samstag, die Separatisten hätten ihr Ziel eines unabhängigen Staats trotz der Vereinbarung nicht aufgegeben.

Trotz der Einigung auf eine Waffenruhe hatte sich die EU am Freitag auf neue Wirtschaftssanktionen gegen Russland verständigt. Diese sehen insbesondere eine „Ausweitung im Bereich Kredite und Dual-Use vor“, also bei Gütern, die zivil und militärisch genutzt werden können. Zudem sollen weitere Reisebeschränkungen ausgesprochen und Auslandsvermögen eingefroren werden. Das Sanktionspaket soll am Montag beschlossen werden. Russland drohte daraufhin eine „Reaktion“ für den Fall von Sanktionen an und warf der EU „Unterstützung der 'Kriegspartei' in Kiew“ vor.

Die Nato hielt unterdessen eine lange geplante, großangelegte Militärübung in Osteuropa ab, die noch bis Mittwoch läuft. Diese soll dem Militärbündnis zufolge auch dazu dienen, ein starkes Signal an Russland zur Verteidigung der Mitgliedstaaten zu senden. Bei ihrem Gipfel in Wales hatte die Nato zuvor den Aufbau einer neuen Kriseneingreiftruppe und einen Aktionsplan für Osteuropa beschlossen.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International warf den Konfliktparteien in der Ukraine Kriegsverbrechen vor. Beide Seiten hätten sich „gleichgültig gegenüber dem Leben von Zivilisten gezeigt“ und gegen „internationale Verpflichtungen“ verstoßen.