Bei den Beratungen zur NSU-Mordserie hofft der Innenausschuss in Berlin durch Torsten Voß auf „Informationen aus erster Hand“ zu einer CD, die schon 2006 in der Neonazi-Szene kursierte.

Hamburg. Das Titelbild der Datei zeigt eine Pistole. Und eine Aufschrift: „NSU/NSDAP“. Laut Begleittext handelte es sich bei dem Datenträger um „die erste umfangreiche Bilddaten-CD des Nationalsozialistischen Untergrunds der NSDAP (NSU)“. Ein Informant des Hamburger Verfassungsschutzes hatte die auf einer DVD abgespeicherten Dateien im Februar der Behörde übergeben. Seit Bekanntwerden der DVD hat die bundesweite Debatte über Verbindungen des rechtsterroristischen NSU zu Mitgliedern der Neonazi-Szene an Fahrt zugenommen.

Am 24.September soll nun der Chef des Hamburger Landesamts für Verfassungsschutz (LfV), Torsten Voß, im Innenausschuss des Bundestags Auskunft geben über die Datei und deren Herkunft. Denn der Hamburger Informant hatte die DVD nach eigenen Angaben 2006 zugeschickt bekommen – von Thomas R., Deckname „Corelli“, V-Mann des Bundesamts für Verfassungsschutz. Er starb überraschend wenige Wochen nach Bekanntwerden der DVD, laut Polizei erlag er seiner Diabeteskrankheit. Fest steht, dass R. Kontakte zur Thüringer Neonazi-Szene hatte, aus der Ende der 1990er-Jahre der NSU erwuchs, der für zehn Morde verantwortlich sein soll. „Corelli“ konnte zur DVD nie befragt werden. Es bleiben Spekulationen über dessen Tod. Und es bleibt der Informant.

Die Einladung des LfV-Chefs in den Bundestag sei kein Misstrauensvotum gegenüber den Kollegen in Hamburg, sagte der Vorsitzende des Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), dem Abendblatt. „Wir wollen Informationen zu ,Corelli‘ und möglichen Verbindungen nach Hamburg oder aber zum NSU aus erster Hand.“ Die Bundesbehörden hätten in den Befragungen im Ausschuss bisher „häufig nur an die zuständigen Länder“ verwiesen.

Der Generalbundesanwalt in Karlsruhe ermittelt in der NSU-Mordserie. Und er soll als Konsequenz aus den Ermittlungsfehlern im Fall der rechtsterroristischen Gruppe künftig leichter Ermittlungen übernehmen können als bislang. Fremdenfeindliche Motive für Verbrechen sollen beim Strafmaß in Zukunft eine größere Rolle spielen. Dies hat die Bundesregierung am Mittwoch beschlossen.

Ob die Hamburger V-Person zur DVD und zu „Corelli“ durch die Bundesanwaltschaft vernommen wurde, ist unklar. Keine der Behörden gibt aufgrund des laufenden Verfahrens gegen den NSU dazu Auskunft. In einer Anfrage an den Senat heißt es, dass vonseiten des Hamburger Geheimdienstes keine Einwände gegen eine Befragung des Informanten bestünden – sofern die Identität der Person nicht preisgegeben werde. Man wolle nichts blockieren, doch nur mit einem Decknamen sei „Existenz, Leib und Leben“ gesichert. Das LfV schickte eine Sperrerklärung nach Karlsruhe, der Bitte nach der Anschrift der V-Person kam das Amt nicht nach. Seit sechs Monaten wissen die Behörden nun von der „Hamburger DVD“, es hat seitdem mehrere Treffen zwischen Bundesanwaltschaft und LfV in Hamburg gegeben. Noch Ende Juli heißt es vonseiten der Bundesregierung, dass weiterhin Gespräche über eine „beschleunigte Lösung im Sinne der Beweiserhebung“ geführt werden.

Seit Bekanntwerden der NSU-Mordserie wird der Verfassungsschutz wegen seiner Informanten in der Neonazi-Szene heftig kritisiert – vor allem in Thüringen und Sachsen. Zentrale Figuren der Szene seien dort als V-Leute mit „übermäßig hohen Prämien“ finanziert worden, heißt es im Bericht des Untersuchungsausschusses im Thüringer Landtag. Wichtige Informationen seien nicht an die Polizei weitergegeben worden, was der Geheimdienst mit dem Schutz seiner V-Leute begründet habe.