Die Mitarbeiter des norwegischen Energiekonzerns Statoil wurden von Islamisten entführt. Kritik an algerischer Befreiungsaktion.

Algier/Oslo. Nach der versuchten Geiselbefreiung durch die algerischen Streitkräfte ist das Schicksal vieler Opfer weiter nicht geklärt. Der norwegische Energiekonzern Statoil erklärte am Freitag, es sei unklar, in welcher Lage sich die verbliebenen acht Mitarbeiter in der Erdgasanlage in der Ortschaft In Amenas befänden. Ein weiterer Angestellter sei aber in Sicherheit gebracht worden.

Der Mann werde im Krankenhaus vor Ort behandelt, teilte Statoil im Sender tv2 mit. Ein Unternehmenssprecher wollte sich nicht zu Einzelheiten und zum Gesundheitszustand des Mannes äußern. Statoil hatte am Vorabend mit einem Sonderflug vier der früher freigekommenen Geiseln sowie insgesamt 40 eigene Mitarbeiter aus Algerien ausgeflogen und nach London gebracht.

Bei dem Befreiungsversuch der algerischen Armee wurden in der Sahara Sicherheitskreisen zufolge 30 Geiseln getötet, darunter mindestens sieben Ausländer. Außerdem seien wenigstens elf Islamisten umgekommen, sagte ein Vertreter aus dem algerischen Sicherheitsapparat am Donnerstagabend.

Der Einsatz gegen die mutmaßlich der al-Qaida nahestehenden Geiselnehmer, die ein Ende der französischen Militärintervention im benachbarten Mali fordern, zog sich über Stunden hin. Was genau in der von den Islamisten besetzten Erdgasanlage in einem entlegenen Wüstengebiet passierte, war auch in der Nacht zum Freitag noch nicht klar. Allein zwölf Statoil-Mitarbeiter wurden als Geiseln genommen. Der Konzern betreibt die Erdgasanlage gemeinsam mit BP und einem algerischen Staatsunternehmen.

Kritik an algerischem Vorgehen

Derweil kritisieren Großbritannien, die USA, Japan und Norwegen die algerische Informationspolitik bei der Militäraktion zur Befreiung der Geiseln. Tokio sei über die Militäroperation zur Befreiung der Geiseln nicht informiert worden, sagte der japanische Regierungssprecher Yoshihide Suga am Freitag. Die Operation sei bedauerlich, wurde Suga von japanischen Medien zitiert. Unter den Toten sollen nach ersten Informationen auch zwei Japaner sein. Das Schicksal von 14 Landsleuten sei noch unklar, hieß es in Tokio. Drei Japaner seien in Sicherheit.

Norwegens Ministerpräsident Jens Stoltenberg beklagte am Donnerstagabend, man habe noch immer keine sicheren Informationen über das Schicksal der Geiseln. Stoltenberg sagte in Oslo, dass seine Regierung Algerien offiziell um militärische Zurückhaltung zum Schutz der Geiseln gebeten habe. Er sei dann am Mittag um 12.00 Uhr telefonisch von seinem algerischen Kollegen lediglich über die bereits laufende Militäraktion informiert worden. Auch die offiziellen Informationen aus Algier nach dem vermutlichen Abschluss des Militäreinsatzes sei unvollständig gewesen.

Der britische Premierminister David Cameron zeigte sich unzufrieden. Großbritannien müsse sich auf weitere schlechte Nachrichten einstellen. Es sei eine „äußerst schwierige Situation“, meinte Cameron. Auch die USA forderten „Klarheit“ von Algier. Die Regierungen in den USA, Frankreich, Norwegen, Großbritannien, Irland und Japan hatten zuvor bestätigt, dass sich Bürger ihrer Länder unter den Geiseln befinden.

Die algerischen Sicherheitskräfte konnten bisher offensichtlich nur einen Teil der von islamistischen Terroristen erstürmten Gasanlage im Osten des Landes unter ihre Kontrolle bringen können. Wie die staatliche Nachrichtenagentur APS am späten Donnerstagabend berichtete, sei der Wohnbereich befreit. Dies gelte jedoch nicht für die Produktionsstätte. Dort habe das Militär bewaffnete Terroristen umstellt. Zuvor hatte APS berichtet, die Befreiungsaktion sei beendet worden. Dann hieß es, diese Angaben hätten sich nur auf die Wohnanlage bezogen.

Cameron sagt Grundatzrede ab

Knapp zwei Tage nach Beginn des Geiseldramas sagte ein britischer Beamter dem US-Sender CNN am Freitag, dort gebe es an mehreren Stellen noch „Aktivitäten“. Es sei jedoch unklar, was genau geschehe. Unter den Opfern des Terrorüberfalls sei eine „erhebliche“ Zahl von Briten. Bitische und amerikanische Beamte sagten voraus, die Militäroperation werde am Freitag bei Tageslicht weitergehen. Es gebe weiter Geiseln und Terroristen dort, zitierte der Sender einen nicht namentlich genannten hohen US-Beamten.

Algerische Hubschrauber und Bodentruppen hatten das Terrorkommando angegriffen, das sich seit Mittwoch mit Dutzenden von ausländischen Geiseln auf dem Gasfeld verschanzt hielt. Dabei gab es Medienberichten zufolge viele Tote, mehrere ausländische Arbeiter konnten befreit werden. Nach Darstellung der Terroristen starben allein bei Luftschlägen 35 Geiseln und 15 Kidnapper.

Informationsminister Mohamed Said Belaid bestätigte im staatlichen Fernsehen erstmals, dass es Opfer gegeben habe: „Unglücklicherweise“ seien einige Tote und Verwundete zu beklagen, es sei aber auch eine große Zahl von Terroristen „neutralisiert“ worden.

Der britische Premier David Cameron sagte wegen der dramatischen Lage seine für Freitag in Amsterdam geplante Grundsatzrede zum britischen Verhältnis zur EU ab. Nach bisherigen Informationen wurde ein Brite getötet, zwei Schotten konnten entkommen.

Hinter der Geiselnahme steht nach algerischen Angaben die Organisation Al-Kaida im islamischen Maghreb (AQMI). Die militanten Islamisten forderten ein Ende des französischen Einsatzes in Mali. Die algerische Regierung lehnt Verhandlungen mit den Terroristen strikt ab.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle zeigte sich „tief betroffen“ über den Tod der Geiseln. „Diese Terroristen, das sind keine Freiheitskämpfer. Das sind brutale Kriminelle, die auch vor der Ermordung von Unschuldigen keinen Halt machen“, sagte er in Brüssel nach Beratungen der EU-Außenminister.

Der britische Außenminister William Hague kritisierte die Terroraktion als „kaltblütigen Mord“. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich warnte vor der Terrorgefahr für Europäer. „Wir stehen im Fadenkreuz des islamistischen Terrors“, sagte er beim Treffen der EU-Innenminister im irischen Dublin.