Wie vergangene Woche haben sich Anhänger und Gegner des Präsidenten nach dem Freitagsgebet Straßenschlachten geliefert.

Alexandria. Einen Tag vor der entscheidenden Runde des Verfassungsreferendums ist es in Ägypten zu Zusammenstößen zwischen Anhängern und Gegnern Präsident Mohamed Mursis gekommen. In der Hafenstadt Alexandria trommelte die hinter Mursi stehende Muslimbruderschaft ihre Anhänger zusammen. Aus deren Reihen flogen vor den Freitagsgebeten Steine auf andere Demonstranten, die gegen die neue, islamistisch geprägte Verfassung auf die Straße gingen. Die Polizei setzte Tränengas gegen die Mursi-Gegner ein. Anders als vor einer Woche gelang es den Beamten in Alexandria weitgehend, die Rivalen auseinanderzuhalten. Am vergangenen Freitag hatte es in der zweitgrößten Stadt des Landes schwere Ausschreitungen gegeben.

Die Polizei riegelte den Bereich um die Moschee ab, in deren Nähe es in der vergangenen Woche zu Zusammenstößen gekommen war. Die in größerer Zahl vertretenen Islamisten riefen „Gott ist groß“, als die Auseinandersetzungen mit den Mursi-Gegnern begannen. Die beiden Lager entzweit der Verfassungsentwurf, dem in der ersten Abstimmungsrunde am 15. Dezember eine Mehrheit von 57 Prozent zugestimmt hatte.

Präsident Mursi und seine Anhänger sehen in dem neuen Grundgesetz einen entscheidenden Schritt in Richtung Demokratie - fast zwei Jahre nachdem ein Volksaufstand den langjährigen Präsidenten Husni Mubarak zu Fall gebracht hat. Die Opposition kritisiert die von einem von Islamisten dominierten Gremium entworfene Verfassung als Weg zu einer noch tieferen Spaltung der Gesellschaft und zu noch mehr Gewalt. Sie bemängelt, dass die Rechte von Frauen sowie von Minderheiten – darunter zehn Prozent Christen – missachtet werden.

Auf den Straßen Alexandrias waren Äußerungen zu hören, die die Zerrissenheit des Landes deutlich machten: „Die Leute wollen die Einführung der Scharia“, skandierten die Islamisten. „Unsere Seelen und unser Blut opfern wir dem Islam.“ Auf der anderen Seite sagte ein Demonstrant, er lehne die Verfassung ab, Mursi habe seine Legitimität verloren und werde gestürzt. Die jüngsten Proteste hatten begonnen, als der Präsident Ende November seine Macht per Dekret ausbaute und den Verfassungsentwurf durch das zuständige Gremium peitschte.

Am Sonnabend geben die Ägypter in den ländlichen Regionen ihre Stimme ab. In der ersten Runde stand das Votum in den Großstädten an. Auf dem Lande haben die Islamisten noch stärkeren Rückhalt, so dass in der zweiten Runde von einem klaren Ja auszugehen ist.