Frankreich will keine Einschnitte bei Agrarsubventionen hinnehmen. Auch Berlin mit Kompromissvorschlag unzufrieden.

Brüssel. Großbritannien und Frankreich ziehen mit harten Bandagen in die Schlussverhandlungen über den EU-Haushalt bis 2020. Beide Regierungen drohten am Mittwoch mit einem Veto, sollte ein Kompromiss ihre nationalen Interessen verletzen. Er sei zu einer solchen Blockade bereit, „wenn wir keine Einigung erreichen, die für Großbritannien gut ist“, erklärte Premierminister David Cameron vor dem heimischen Parlament. Die Regierung in Paris will ihrerseits keinen Haushalt akzeptieren, „der die Mittel der Gemeinsamen Agrarpolitik nicht beibehält“. Frankreich ist der größte Nutznießer der landwirtschaftlichen Subventionen, die knapp 40 Prozent des Budgets ausmachen. Großbritannien will seinen Beitragsrabatt sichern und fordert nicht zuletzt deshalb Einschnitte bei den Ausgaben.

Mit Deutschland pochte zudem noch ein dritter Nettozahler auf Nachbesserungen im Kompromissvorschlag der zyprischen Ratspräsidentschaft, der den Staaten in der Nacht zum Dienstag übermittelt wurde. Die angeregten Kürzungen von 50 Milliarden Euro gegenüber dem Haushaltsentwurf der EU-Kommission reichten bei weitem nicht aus, erklärte Außenamts-Staatsminister Michael Link. „Was die Qualität der Ausgaben betrifft, so hat die Präsidentschaft aus unserer Sicht die Akzente noch nicht richtig gesetzt.“ Die Bundesregierung wolle deshalb mit großem Nachdruck auf ein „modernes Budget“ drängen. Deutschland versteht darunter, in Zeiten knapper Kassen Ausgaben gezielter auf Wachstum und eine größere Wettbewerbsfähigkeit der 27 EU-Staaten auszurichten. Es ist aber unter den Mitgliedern umstritten, wie eine solche Förderung gestaltet werden soll.

Der größte Beitragszahler der EU gehört mit Frankreich, Italien, Österreich und Schweden zu einer Gruppe von Ländern, die mindestens 100 Milliarden Euro aus dem Kommissionsentwurf für die Jahre 2014 bis 2020 streichen wollen. Die Staats- und Regierungschefs wollen den mittelfristigen Finanzrahmen am 22. und 23. November auf einem eigens angesetzten Gipfeltreffen beschließen. Danach ist noch die Zustimmung des Europäischen Parlaments nötig, das in der vergangnen Woche in einer Erklärung eine deutlich stärkere Förderung der Wettbewerbsfähigkeit, von Kleinunternehmen, der Infrastruktur sowie Forschung und Entwicklung verlangt hat. Diese Forderung erheben auch die osteuropäischen EU-Mitglieder, die am stärksten von den sogenannten Kohäsionsfonds profitieren. Die Töpfe sollen ihren Anschluss an die Lebensbedingungen Westeuropas sichern.

Premierminister Cameron versprach dem britischen Parlament Unnachgiebigkeit gegenüber den EU-Partnern: „Diese Regierung wird in den Haushaltsverhandlungen die härteste Haltung einnehmen, die je eine Regierung hatte, seit wir der Europäischen Union beigetreten sind“, betonte er. Er wolle mindestens erreichen, dass die Ausgaben auf dem bisherigen Stand eingefroren und damit lediglich um den Inflationsanteil von zwei Prozent gesteigert werden. Gleichzeitig hielt er die Aussicht auf noch weitergehende Einschnitte aufrecht: Im besten Fall gelinge eine echte Kürzung gegenüber dem vergangenen Finanzrahmen. Die Kommission sieht eine Steigerung um 62 Milliarden Euro oder rund sechs Prozent vor.

Das britische Parlament wollte am Nachmittag eine Resolution verabschieden, um Cameron für die Verhandlungen den Rücken zu stärken. Dabei droht dem konservativen Regierungschef aber Ungemach aus den eigenen Reihen: Mehrere Abgeordnete haben angedroht, gemeinsam mit der sozialdemokratischen Opposition für härtere Einschnitte zu stimmen. Das Verhältnis der Briten zur EU ist auf einem Tiefpunkt. Cameron redet zwar einem Austritt aus der Gemeinschaft nicht das Wort, hat aber eine Überprüfung der Vor- und Nachteile der EU-Mitgliedschaft angekündigt.

Die sozialistische Regierung in Paris versucht, ihre ländliche Wählerschaft zu schützen. „Wir sind gegen die vorgeschlagenen Kürzungen in der Gemeinsamen Agrarpolitik, für die bereits im ursprünglichen Vorschlag der Europäischen Kommission deutliche Einschnitte vorgesehen waren“, erklärte EU-Minister Bernard Cazeneuve. Um diese Position zu stärken, hat Frankreich Mitte Oktober mit Italien und Spanien eine gemeinsame Verhandlungsposition verabredet. Die beiden südeuropäischen Länder können sich seit dem französischen Regierungswechsel im Frühsommer in der Schuldenkrise verstärkt auf Schützenhilfe aus Paris verlassen.