Vitali Klitschkos Partei hatte sich aber mehr erhofft. Hamburger Beobachter Klimke zur Wahl: “Ein Meisterwerk der Täuschung“.

Hamburg/Kiew. Vier Monate nach der Fußball-Europameisterschaft in der Ukraine haben die Oppositionsparteien ein beachtliches Ergebnis bei der Parlamentswahl erzielt. Doch einen Tag nach der Wahl sprechen Beobachter von Täuschung und unfairen Bedingungen. Während sich die Regierungspartei von Präsident Viktor Janukowitsch als klarer Sieger betrachtet, hat die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) Bedenken: Im Wahlkampf habe es bereits Verstöße zulasten der Opposition gegeben. Herausforderer wie Profiboxweltmeister Vitali Klitschko, der erstmals mit seiner Partei Udar ("Schlag") ins Parlament einzog, hätten nicht dieselben Chancen gehabt wie Janukowitschs Partei, sagte Walburga Habsburg-Douglas, Vorsitzende der OSZE-Delegation. Im Vergleich zu Wahlen in der Vergangenheit sei die Abstimmung am Sonntag ein Rückschritt gewesen.

Der Hamburger Bundestagsabgeordnete Jürgen Klimke (CDU), der ebenfalls offizieller Beobachter war, sagte dem Abendblatt: "Die Wahl in der Ukraine war ein Meisterwerk der Täuschung. In meinem zu beobachtenden Wahlbüro gab es keine offensichtlichen Wahlfälschungen, die Stimmenabgabe lief reibungslos und ohne Einschränkungen. Trotzdem war die Wahl vorher geschickt unterwandert und entschieden worden."

Klimke bescheinigte dem Wahlkämpfer Klitschko einen professionellen Wahlkampf und ein "achtbares Ergebnis". Die Beliebtheit des Wahlhamburgers sei in der Ukraine spürbar gewesen. "Klitschko hat nach einhelliger Meinung aller Wahlbeobachter in Kiew davon profitiert, dass das repressive System um den Präsidenten Janukowitsch nicht schnell genug war, Gerichtsprozesse und Verleumdungskampagnen gegen ihn und seine Partei zu installieren." Die OSZE sprach in ihrem Bulletin davon, dass staatliche Mittel für Wahlkampfzwecke missbraucht worden seien. Die Parteienfinanzierung insgesamt sei intransparent. Die Berichterstattung der Medien über die verschiedenen Parteien sei unausgewogen gewesen. Und eine Wahl, bei der Oppositionelle wie Julia Timoschenko in Haft sitzen, könne nicht als demokratisch anerkannt werden.

Die Opposition wirft dem Anfang 2010 gewählten Staatsoberhaupt Janukowitsch vor, eine Marionette der Oligarchen zu sein. Die Oligarchen wollen zu den demokratischen Prinzipien der EU so viel Distanz wie möglich. Die Nähe zu Russland dagegen suchen sie. Nach Auszählung von 50 Prozent der Stimmen kam die regierende Partei der Regionen laut Wahlkommission auf 35 Prozent. Die Vaterlandspartei der inhaftierten Oppositionsführerin Julia Timoschenko landete mit rund 22 Prozent auf Platz zwei. Die Kommunisten haben mit offiziell 15 Prozent überraschend stark abgeschnitten. Die Partei, deren Führung vorwiegend aus alten Sowjetkadern besteht, lag vor wenigen Monaten noch bei zwei Prozent. Kommunisten-Chef Petro Simonenko machte klar, dass er die Koalition mit der Regierungspartei fortsetzen wolle.

Klitschkos Partei kam auf Platz vier und vermutlich 13 Prozent. Der Schwergewichtsweltmeister trat in Kiew vor die Medien und sagte: "Insgesamt hat meine Partei gut abgeschnitten, aber wir haben uns mehr erhofft." Klitschko wollte eigentlich Oppositionsführer werden, um sich für die Präsidentschaftswahl 2015 in Stellung zu bringen. Klitschko forderte die demokratischen Kräfte in der Obersten Rada mit Nachdruck auf, gemeinsam für eine Ablösung des "korrupten Regimes" von Janukowitsch zu kämpfen. Der Präsident sei der gemeinsame Feind, sagte der 41-Jährige.

Die ukrainische Opposition hat Zulauf bekommen von der ultranationalistischen Freiheitspartei Swoboda. Laut Wahlkommission liegt sie bei sieben Prozent. Swoboda-Chef Oleg Tjanybok kündigte an, er werde sich jenen Kräften im neuen Parlament anschließen, die für ein Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Janukowitsch eintreten. Für die Partei der Regionen trat bereits wenige Minuten nach Schließung der Wahllokale Ministerpräsident Nikolai Asarow in Kiew vor die Medien und verkündete mit versteinerter Miene, seine Arbeit fortsetzen zu wollen. "Stabilität und Wohlstand gibt es nur mit uns", sagte er fast trotzig. Am Ende steht die Partei der Regionen zwar als stärkste Kraft da, ist jedoch auf einen Koalitionspartner angewiesen.

Der Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz (SPD), hat nach der Parlamentswahl in der Ukraine Reformen und mehr Demokratie im Land gefordert. In einer Erklärung bedauerte Schulz in Brüssel "zahlreiche Mängel" der Wahl. Es habe keine gleichen Chancen für Kandidaten der Regierungsparteien und der Opposition gegeben. Das Europaparlament hatte 15 Abgeordnete als Beobachter in die Ukraine geschickt. Schulz sagte, die EU solle "ihr kritisches Engagement mit der Ukraine beibehalten und bei nötigen Reformen helfen". "Ich hoffe sehr, dass die Ukraine Schritte tut, die es ihr und der EU erlauben, die wechselseitigen Beziehungen aus einer Sackgasse herauszubringen."

Dabei müsse es um Rechtsstaatlichkeit und die Unabhängigkeit der Justiz gehen. Die EU hat unter anderem wegen rechtsstaatlicher Mängel ein Assoziierungsabkommen mit der Ukraine auf Eis gelegt.

Der Grünen-Europaparlamentarier Werner Schulz lobte einzelne Fortschritte, forderte aber zugleich die Freilassung politischer Gefangener. "Die Tür nach Europa steht der Ukraine somit weiter offen", teilte Schulz mit. Seine Parteigenossin Rebecca Harms warnte vor einer vorschnellen Anerkennung der Wahl. Ein fairer Wahlkampf sei nicht möglich gewesen. Der Linken-Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko kritisierte eine "Oligarchisierung der Politik", bei der sich einflussreiche Unternehmer über demokratische Normen hinwegsetzten. Sein FDP-Kollege Patrick Kurth forderte Janukowitsch auf, notwendige Reformen einzuleiten.