Griechenlands Hauptstadt erwartet wieder schwere Krawalle. Die Bürger wehren sich erneut gegen das massive Sparpaket ihrer Regierung.

Athen/Berlin. In Griechenland haben die Proteste gegen die Sparpolitik unmittelbar vor dem EU-Gipfel einen neuen Höhepunkt erreicht. In Athen protestierten gestern rund 40.000 Menschen gegen soziale Einschnitte und Gehaltskürzungen. Vor dem Parlament warfen Demonstranten Brandsätze, die Polizei setzte Tränengas ein. Die beiden größten Gewerkschaften hatten zu einem 24-stündigen Generalstreik aufgerufen. Es war der 20. in 24 Monaten. In der Hauptstadt Athen kam das öffentliche Leben zum Erliegen. Auf dem Platz vor dem Parlament spitzte sich die Situation zu, als eine kleine Gruppe aus der Menge der Demonstranten begann, Flaschen, Steine und Brandsätze auf die Polizisten zu werfen, die das Parlamentsgebäude abgeriegelt hatten. Die Polizei versuchte, die gewalttätigen Protestierer mit Tränengas zu vertreiben.

Ein 65 Jahre alter Mann, der an der Kundgebung teilnahm, sei an einem Herzinfarkt gestorben, sagte ein Krankenhausmitarbeiter Reuters. Drei Menschen wurden bei den Ausschreitungen verletzt. Die Polizei nahm rund 50 Demonstranten fest, die die Sicherheitskräfte angegriffen haben sollen.

"Genug ist genug. Sie haben unsere Gräber ausgehoben, uns reingetrieben, und wir warten jetzt auf den Priester, der uns das letzte Gebet liest", sagte ein 58 Jahre alter Arbeiter. Sein Lohn sei auf 900 Euro gekürzt worden, und er habe zwei arbeitslose Söhne. Ein Werftarbeiter sagte: "So kann es nicht weitergehen. Sicher müssen wir Maßnahmen ergreifen, aber nicht so harte, wie Merkel sie verlangt."

Ministerien, Schulen und zahlreiche Behörden blieben geschlossen. Ärzte behandelten nur Notfälle. Auch der Flug-, Schiffs- und Eisenbahnverkehr war betroffen. Keine Fähre lief aus Piräus aus. Dutzende Flüge mussten abgesagt werden, weil Fluglotsen die Arbeit für drei Stunden niederlegten. Auch die Taxifahrer von Athen zogen für neun Stunden die Handbremse.

"Wir verelenden", skandierten einige Demonstranten. Andere warfen der Regierung vor, mit den endlosen Sparmaßnahmen das Land ins Chaos zu stürzen. "Jedes dritte Geschäft im Zentrum Athens ist geschlossen", sagten Händler, die ebenfalls gegen das Sparprogramm demonstrierten. Auch in Thessaloniki, auf Kreta und in zahlreichen mittelgriechischen Städten gingen Tausende Menschen auf die Straßen.

Die Rettung Griechenlands vor der Staatspleite ist unterdessen nach monatelangem Zwist einen wichtigen Schritt vorangekommen. Nach Angaben der EU-Kommission hat sich die Troika der internationalen Geldgeber über die meisten Spar- und Reformvorhaben mit den griechischen Behörden geeinigt. Auch nach dem Abschluss der Verhandlungen seien aber weitere Diskussionen nötig, berichtete die Kommission in Brüssel. Ein positiver Bericht der Troika aus EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds (IWF) und Europäischer Zentralbank (EZB) ist Voraussetzung für die Auszahlung der nächsten Hilfstranche von 31,5 Milliarden Euro an Athen.

Um die Zahlungen sicherzustellen plant Griechenland nach Informationen aus dem Finanzministerium ein neues Sparpaket in Höhe von 13,5 Milliarden Euro. Davon sollen 11,5 Milliarden Euro aus einem weiteren Personalabbau im öffentlichen Dienst, einer Verschlankung des Staates sowie Kürzungen bei Rentnern und Staatsbediensteten finanziert werden. Weitere zwei Milliarden Euro sind aus Steuererhöhungen geplant. Das neue Sparpaket muss noch von der Troika genehmigt werden. Hier einige Eckpunkte:

Die Rentner müssen mit Kürzungen in Höhe von fast 4,9 Milliarden Euro rechnen. Das Weihnachtsgeld wird beispielsweise abgeschafft. Es war bereits von einer Monatsrente auf 400 Euro gekürzt worden.

Die Staatsbediensteten werden wohl 1,5 Milliarden Euro verlieren. Ihnen werden die jeweils verbliebenen 400 Euro vom Weihnachtsgeld sowie vom 14. Gehalt gestrichen. Viele Löhne und Gehälter sollen zwischen sechs und 20 Prozent gekürzt werden. 15 000 Staatsbedienstete sollen in die Frühpensionierung gehen. Bis zum Eintritt des Rentenalters erhalten sie dann 60 Prozent ihres letzten Gehalts.

Im Gesundheitswesen sollen 1,5 Milliarden Euro gespart werden. Unter anderem sollen die Versicherten sich mit höheren Eigenbeiträgen beim Kauf von Medikamenten beteiligen. Zahlreiche Krankenhäuser sollen schließen. Andere sollen sich zusammenschließen.

Die Gehälter der Angestellten der öffentlich-rechtlichen Betriebe, wie beispielsweise der Elektrizitätsgesellschaft (DEI), sollen denen der Staatsbediensteten angeglichen werden. Dies bedeutet für die Betroffenen nach Berechnungen der Gewerkschaften bis zu 30 Prozent weniger Geld. Die Ausgaben der Ministerien sollen um 25 Prozent gekürzt werden. Die Müllabfuhr soll privatisiert werden. Schulen sollen schließen oder zusammengelegt werden. Um 250 Milliarden Euro soll das Verteidigungsbudget schrumpfen.

Die Steuern auf Zinsen für Geldanlagen sollen von heute zehn auf 15 Prozent steigen. Die Tabaksteuer soll zum vierten Mal innerhalb von vier Jahren steigen. Allen Freiberuflern soll der Steuerfreibetrag in Höhe von 5000 Euro gestrichen werden.