Zusammenstöße mit Pro-Regierungsmilizen. Elf Tote und viele Verletzte. Trauerbekundungen nach Tod von US-Botschafter.

Bengasi. Tausende Demonstranten haben am Sonnabend aus der libyschen Stadt Bengasi eine radikale Islamistengruppe vertrieben, der die Tötung eines US-Botschafters vorgeworfen wird. Im Anschluss kam es jedoch zu Zusammenstößen mit Pro-Regierungsmilizen, die von den Demonstranten irrtümlich ebenfalls für Islamisten gehalten wurden. Dabei starben nach Krankenhaus- und Polizeiangaben mindestens elf Menschen, mehr als 60 wurden verletzt. Der Vorfall zeigt, wie fragil und unübersichtlich die Lage in Libyen mehr als ein Jahr nach dem Sturz des langjährigen Machthabers Muammar Gaddafi immer noch ist.

Gerichtet hatte sich die Aktion der Demonstranten gegen die radikal-islamische Gruppe Ansar al-Scharia, die von einigen Regierungsvertretern in den USA und Libyen für den Angriff auf das US-Konsulat in Bengasi vor etwa eineinhalb Wochen verantwortlich gemacht wird. Nachdem im Internet ein in den USA entstandener Mohammed-Schmähfilm aufgetaucht war, hatte ein wütender Mob das Konsulat angegriffen. Neben dem amerikanischen Botschafter wurden drei weitere Diplomaten getötet.

Bei ihrem Sturm auf das Hauptquartier von Ansar al-Scharia riefen die Demonstranten „Libyen, Libyen“, „Weg mit Al-Kaida„ oder „Das Blut, das wir für die Freiheit vergossen haben, soll nicht umsonst gewesen sein.“ Die Islamisten leisteten kaum Widerstand. Einer ihrer Sprecher sagte, die Gruppe habe sich aus Bengasi zurückgezogen, „um die Sicherheit in der Stadt zu bewahren“. Ansar al-Scharia hat Vorwürfe zurückgewiesen, hinter dem Angriff auf das US-Konsulat in Bengasi zu stecken.

Die Bevölkerung habe genug von den Extremisten, sagte ein Demonstrant. „Dieser Ort ist wie die Bastille“, sagte Hassan Ahmed. „Von hier aus hat Gaddafi Libyen kontrolliert und dann hat Ansar Al-Scharia ihn übernommen. Für die Bevölkerung Bengasis ist das ein Wendepunkt.“

Der Angriff auf die Extremisten schien Teil einer koordinierten Aktion von Polizei, Regierungstruppen und Aktivisten zu sein, die auf Massenproteste gegen die Milizen am Freitag folgte. Zahlreiche bewaffnete Gruppen weigern sich, ihre Waffen niederzulegen, und nehmen das Gesetz häufig selbst in die Hand. Ansar al-Scharia hat im Osten des Landes, vornehmlich in der Küstenstadt Derna, noch weitere Stützpunkte.

Tausende Libyer hatten am Freitag gegen Islamisten und für Demokratie protestiert. Unter dem Motto „Rettet Bengasi“ riefen sie die Regierung auf, militante Gruppen endlich zu entwaffnen. Einige nutzten die Proteste auch dazu, ihrem Unmut über die Tötung von US-Botschafter Christopher Stevens Luft zu machen. Sie hielten Plakate mit Aufschriften wie „Wir verlangen Gerechtigkeit für Stevens“ oder „Libyen hat einen Freund verloren“ in die Höhe. Andere teilten diese Meinung nicht. Er sei gekommen, um Bengasi zu verteidigen, sagte der 26-jährige Ingenieur Amdschad Mohammed Hassan. Die Tötung des Botschafters stünde auf einem ganz anderen Blatt. „Das interessiert mich nicht. Die Amerikaner haben den Propheten beleidigt. Ich bin nur für Bengasi hier.“ Islamisten hielten ihre eigene Demonstration ab. Sie warfen Stevens vor, den Einmarsch amerikanischer Truppen nach Libyen vorbereitet zu haben.

Ein in den USA gedrehter Schmähfilm über Mohammed sowie neue, in Frankreich veröffentlichte Karikaturen des Propheten sorgen seit Tagen für Aufruhr in der islamischen Welt. Zahlreiche Menschen wurden getötet.