In Pakistan hatte die Regierung zum friedlichen Protest gegen das Mohammed-Schmähvideo aufgerufen - es gab mindestens 15 Tote.

Singapur. Die Regierung hatte den "Tag des Ausdrucks der Liebe zum Propheten" ausgerufen, doch statt friedlich gegen die Verhöhnung ihres Glaubens durch Mohammed-Video und -Karikaturen zu demonstrieren, randalierten und plünderten wütende Menschenmassen in Pakistans Metropolen. Ein Land im Ausnahmezustand: Aufgehetzt und angefeuert von radikalen Gruppen, liefen die Protestkundgebungen schnell aus dem Ruder. Bis zum Abend gab es mindestens 15 Tote.

Von Lahore im Osten bis Quetta im Westen, von Peschawar weiter nördlich bis zur Hafenstadt Karatschi im Süden - in allen großen Städten kam es schon vor dem Freitagsgebet zu wütenden Ausschreitungen mit Verletzten. Nachdem die Menschen die Moscheen verlassen hatten, steigerten sich Demonstranten bis zur wütenden Raserei.

In Peschawar lieferten sich Demonstranten Straßenschlachten mit der Polizei und brannten drei Kinos nieder. Mit Knüppeln und Bambusstöcken zog der wütende Mob durch die Stadt, schlug Fenster ein und brüllte Hassparolen. Sie demolierten unter anderem die Handelskammer der Stadt und plünderten das Gebäude. Immer wieder fielen Schüsse. Ein Fahrer des privaten Fernsehsenders "ARY News" wurde getötet, als auf sein Auto geschossen wurde. Viele weitere Menschen überall wurden verwundet. Die Behörden hatten Wege zum amerikanischen Konsulat und anderen westlichen Institutionen mit Containern blockiert.

Auch in Karatschi lieferten sich die Protestierenden wilde Gefechte mit den Sicherheitskräften und steckten Kinos und Fahrzeuge in Brand, mehrere Banken wurden verwüstet. Ein Polizist starb, als Tausende Demonstranten versuchten, zum US-Konsulat vorzudringen. In Islamabad hatte die Verkehrspolizei die Zugangsstraßen zur Hauptstadt abgesperrt und versuchte, die Massen mit Tränengas davon abzuhalten, in die sogenannte Rote Zone, das Diplomaten- und Regierungsviertel, vorzudringen.

Unter dem zunehmenden Druck der islamischen Parteien hatte Premierminister Raja Pervez Ashraf den Feiertag ausgerufen und das pakistanische Volk dazu aufgerufen, gegen den in den USA produzierten Mohammed-Schmähfilm und die französischen Karikaturen zu dem Propheten zu protestieren. Zwar hatte der Premier seine Landsleute aufgerufen, friedlich zu bleiben und keine Gesetze zu verletzen, doch die radikalen Kräfte in Pakistan hatten offenbar andere Pläne. Bereits am Morgen waren große Teile des Landes lahmgelegt. Geschäfte und Tankstellen blieben geschlossen. Öffentliche Verkehrsmittel standen still, der Mobilfunkservice wurde teilweise blockiert.

Um den Agitatoren den Wind aus den Segeln zu nehmen, hatte Washington eigens für die pakistanische Öffentlichkeit ein Werbevideo produzieren lassen. Der Clip, in dem Präsident Barack Obama und Außenministerin Hillary Clinton auftreten, wurde in sieben pakistanischen Fernsehsendern ausgestrahlt. Obama und Clinton distanzieren sich ausdrücklich vom Schmähfilm. Ihre Worte wurden mit Untertiteln in der Landessprache Urdu versehen: "Wir weisen den Inhalt und die Botschaft (des Videos) absolut von uns", sagt Clinton. Und der US-Präsident erklärt: "Seit ihrer Gründung sind die Vereinigten Staaten ein Land, das alle Glaubensrichtungen akzeptiert."

Doch der Hass auf die USA sitzt tief - und das nicht erst seit dem Mohammed-Film. Wasim Akhtar, ein Führer der islamistischen Gruppe Dschamaat al-Islamija, erklärte, es werde nicht möglich sein, die Gemüter der Pakistaner abzukühlen, solange der US-Botschafter nicht aus Islamabad verbannt worden sei: "Die USA fahren, im Namen der Meinungsfreiheit, damit fort, Elemente zu beschützen, die wieder und wieder blasphemische Taten verüben."

Viele Pakistaner sind allerdings entsetzt über die Ausschreitungen in ihrer Heimat. Im Internet machen sie ihren Gefühlen Luft: "Ich bin tief traurig über die Aktionen unserer Bevölkerung", schreibt ein Leser der Zeitung "Express Tribune" auf deren Website. "Wir haben das Gegenteil dessen getan, was uns unser geliebter Prophet Mohammed gelehrt hat. Wir haben die Geduld verloren und zu Gewalt gegriffen."

Anders als in Pakistan ging die tunesische Regierung lieber auf Nummer sicher und untersagte alle für Freitag geplanten Protestkundgebungen. Auch im überwiegend muslimischen Malaysia hatte Regierungschef Najib Razak seine Landsleute zur Ruhe aufgerufen - obwohl er den Film schändlich findet. "Mehr als je zuvor muss jeder von uns dazu beitragen, dass wir uns alle um mehr Respekt, Toleranz und gegenseitiges Verständnis bemühen", sagte er.

In Ägypten gelang es der radikalen Salafisten-Bewegung nicht, die Massen für ihre Proteste zu mobilisieren. Nur ein kleiner Trupp von etwa 70 bärtigen Islamisten zog vom Tahrir-Platz in Kairo zur französischen Botschaft. Groß war der Andrang dagegen bei einer professionell organisierten Protestaktion der libanesischen Schiiten-Bewegung Hisbollah. Tausende marschierten durch die libanesische Stadt Baalbek - friedlich.

Auch in mehreren deutschen Städten demonstrierten Muslime am Freitag friedlich gegen das Schmähvideo. 850 Menschen versammelten sich in Freiburg zu einer Demonstration. In Münster zählte die Polizei etwa 200 Demonstranten. In Cuxhaven kamen etwa 100 Menschen zu einer Kundgebung.