Der Berliner US-Botschafter Philip Murphy sprach in Hamburg über das Mohammed-Video und über seinen in Libyen getöteten Kollegen.

Hamburg. Man hätte eine Stecknadel fallen hören können im Auditorium der Bucerius Law School an der Hamburger Jungiusstraße. Der Geschäftsführer der privaten Elitehochschule, Dr. Hariolf Wenzler, hatte um eine Schweigeminute zu Ehren des in Libyen bei Protesten gegen das anti-islamische Schmähvideo getöteten US-Botschafters Christopher Stevens und dreier seiner Mitarbeiter gebeten - und mehr als 400 Zuschauer erhoben sich von ihren Plätzen und schwiegen. "Es ist eine Tragödie", sagte der Gastredner des Abends, der amerikanische Botschafter in Berlin, Philip Murphy, im Gespräch mit dem Abendblatt. Stevens sei ein großartiger Amerikaner gewesen. "Ich habe Mitarbeiter von ihm in einer Weise über ihn reden hören, dass Sie und ich uns wünschen würden, man würde jemals so über uns reden." Die Frage, ob US-Präsident Barack Obama zu naiv gewesen sei, als er den Muslimen der Nahostregion seine Hand dargeboten habe, verneinte Murphy energisch. Als diese autokratischen Staaten sich zu ändern begannen, habe niemand mit einer glatten Entwicklung hin zu Demokratie gerechnet. Washington sei stets von Höhen und Tiefen und auch dramatischen Phasen ausgegangen, sagte Stevens.

In der Diskussion, ob das umstrittene Mohammed-Video öffentlich gezeigt werden solle, ringe er mit sich selber, räumte der Top-Diplomat ein. "Einerseits stehen wir für die Meinungs-, Presse- und Religionsfreiheit ein." (Die "Herald Tribune" hat gerade dazu geschrieben: Wenn man nicht auch das widerlichste Zeug veröffentlichen kann - was ist dann das Gerede von der Meinungsfreiheit überhaupt wert?) Doch gebe Redefreiheit einem das Recht, in einem voll besetzten Kino "Feuer" zu rufen?, fragt Murphy. "Nein! Das ist eine Verletzung der Redefreiheit! Die Leute, die dieses Video gedreht haben, sind entweder bösartig, dumm oder beides". Sie hätten etwas ganz Entsetzliches getan. "Aber", betont der US-Botschafter, "so verwerflich das auch ist und so empört ich darüber auch bin - das gibt niemandem das Recht, Gewalt gegen Unschuldige auszuüben."

Die Debatte, ob das Mohammed-Video "Die Unschuld der Muslime" aus den USA, das den Propheten in übelster Weise schmäht, gezeigt werden dürfe, hielt auch in Deutschland an. Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) forderte ein Aufführungsverbot: "Wenn Propagandisten dieses Schmähvideo öffentlich zeigen, riskieren wir in Deutschland eine ernsthafte Konfrontation", sagte Aigner dem Abendblatt. Sie äußerte die Erwartung, dass alle zur Verfügung stehenden Instrumente genutzt werden, um eine Bedrohung der öffentlichen Sicherheit abzuwenden. Meinungsfreiheit und Versammlungsfreiheit seien ein hohes Gut, aber die gezielte Verunglimpfung von Religionen könne nicht akzeptiert werden. "In diesem Fall müssen klare Grenzen gezogen werden."

Die Muslimverbände sind in der Frage uneins. Der Koordinationsrat der Muslime in Deutschland und der Zentralrat der Muslime sind für ein Verbot; der Liberal-Islamische Bund lehnt dies ab. Der Deutsche Kulturrat wiederum rief die Medien zu einem verantwortungsvollen Umgang mit dem Film auf. "In Zeiten des weltweiten Netzes sind Verbote letztlich unwirksam", sagte Geschäftsführer Olaf Zimmermann.

Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) sagte im Fernsehsender Phoenix: "Wir dürfen Islamisten, aber auch Rechtsextremisten nicht auf den Leim gehen." Die einen wollten bewusst provozieren, die anderen wollten sich provozieren lassen. Ein Verbot jedoch wäre als Einschränkung der Meinungsfreiheit falsch. Auch die Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt wandte sich in der "Thüringer Allgemeinen" gegen ein Aufführungsverbot und meinte, dieses Video sei es "nicht wert, dass wir das Recht auf freie Meinungsäußerung kaputt machen".

Während in mehreren muslimischen Staaten weiter protestiert wurde, leitete die Bundesregierung konkrete Maßnahmen ein, um deutsche Vertretungen in Nordafrika besser zu schützen. Nach Ägypten, Libyen; Tunesien und dem Sudan sollen zusätzliche Beamte entsandt werden.