Madelyn Dunham zog ihren Enkel im Bewusstsein auf, dass man alles schaffen kann, wenn man hart arbeitet.

Hamburg/Honolulu. Vermutlich war sie es, die ihrem Enkel die fixe Idee in den Kopf setzte, man könne es ungeachtet aller Widerstände und einer anderen Hautfarbe bis ganz nach oben bringen. "Sie hat alles, was sie hatte, buchstäblich in mich hineingegossen", sagte Barack Obama kürzlich über seine Großmutter Madelyn Dunham, die er liebevoll "Toot" nennt.

Zusammen mit seiner Mutter und seinem Großvater zog sie ihn auf, "von meiner Geburt, bis ich aufs College ging". Nun geht es der 85-Jährigen sehr schlecht, wie Obamas Sprecher Robert Gibbs mitteilte. Ihr Zustand sei sehr ernst. Kürzlich hatte sie sich bei einem Sturz die Hüfte gebrochen. Ihr Enkel unterbrach seinen Wahlkampf und eilte an ihr Krankenbett. Es scheint sehr ungewiss, ob sie seinen möglichen Einzug ins Weiße Haus noch erlebt. Sie liegt nicht mehr im Hospital, sondern zu Hause in ihrer Wohnung in Honolulu. Die geliebten Bridge-Partien bei Freundinnen musste sie aufgeben. Obamas Frau Michelle wird ihren Mann im Wahlkampf vertreten.

Madelyn Dunham war, was man in Amerika einen "Trailblazer" nennt. Der Ausdruck aus der Pionierzeit bedeutet Wegbahner, jemand, der Hindernisse beiseiteräumt, um einen gangbaren Pfad zu schaffen. Madelyns Vorfahren stammten zumeist aus England. Besonders stolz ist sie aber darauf, dass ihre Mutter einen Teil Cherokee-Blut in den Adern hatte, Blut also vom größten noch lebenden Indianervolk der USA. Ihr Mann Stanley Amour Dunham ist weitläufig verwandt mit US-Vizepräsident Dick Cheney und dem früheren US-Präsidenten Harry S. Truman. Stanley arbeitete früher als Möbelverkäufer und besaß einen so geschäftsfördernden Charme, dass "es die Beine unter einer Couch weghaute", wie sich Freunde erinnern. Während des Zweiten Weltkriegs arbeitete Madelyn als Inspektorin bei Boeing und überwachte die Fertigung des Bombers B-29 in Wichita. Später zog das Paar nach Hawaii, wo Obamas Großmutter zunächst als Sekretärin in der Bank von Hawaii in Honolulu tätig war. Durch harte Arbeit stieg sie schließlich 1970 zur ersten weißen Vizepräsidentin der Bank auf - ein Posten, den sie bis 1986 innehatte. In dieser Zeit wurden Weiße und Frauen noch auf Hawaii diskriminiert - Madelyn Dunham war beides und ignorierte alle Vorurteile. Mitarbeiter erlebten sie als harten Chef, der jeden vor die Wahl gestellt habe: Schwimmen oder Absaufen. "Ich hatte Angst vor ihr", sagt Alton Kuioka, ein früherer Lehrling, heute stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Bank der Online-Ausgabe von USATODAY. "Sie schüchterte mich total ein. Wenn man neu war und noch lernte, war sie wie ein Militärausbilder." Auch ihr früherer Kollege Dennis Ching gibt zu: "Als ich sie am ersten Arbeitstag kennenlernte, war ich starr vor Schrecken." Doch jeder, der ebenfalls hart arbeitete, hatte von Madelyn Dunham nichts zu befürchten. Das Ehepaar Dunham reagierte wenig amüsiert, als ihre Tochter Ann den Studenten Barack Obama senior aus Kenia heiratete - vor allem, als sie von dessen Vater aus Kenia einen hitzigen Brief erhielten, in dem dieser mitteilte, er wolle keinesfalls das Obama-Blut durch eine weiße Frau "verunreinigt" sehen. Man arrangierte sich, aber Madelyn Dunham soll spitz geäußert haben: "Ich bin misstrauisch gegenüber Dingen, die mir Leute aus fremden Ländern mitteilen." Obama habe nun seinen Wahlkampf unterbrochen, heißt es. Das ist natürlich nur die halbe Wahrheit. Denn Obamas Besuch am Bett seiner schwer kranken Großmutter findet nun weit mehr wohlwollende Aufmerksamkeit, als dies die abgesagten Auftritte in Iowa und Wisconsin je vermocht hätten.