Paul Ryan gilt als Redner der Extraklasse. Aber ist die Nummer zwei des US-Präsidentschaftskandidaten Mitt Romney auch ein Blender? Skeptiker meinen, seine radikalen Sparpläne hätten verheerende Folgen.

Tampa. Paul Ryan hatte seine Rede vor dem Parteitag der US-Republikaner noch nicht begonnen, da waren sich rührige Kommentatoren schon einig. Die „Nummer zwei“ an der Seite von Präsidentschaftskandidat Mitt Romney sei der Mann der Zukunft, Hoffnungsträger der nächsten Republikanergeneration – smart, rhetorisch gewandt, politisch knallhart. Doch Kritiker warnen: Hat der 42-Jährige wirklich das Zeug, im Fall der Fälle die „Weltmacht Nummer eins“ zu führen?

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Tatsächlich riss der Mann aus Wisconsin seine Zuhörer beim Parteitag in Tampa von den Stühlen. Seine Angriffe auf Barack Obama waren unerbittlich. „Was im Weißen Haus fehlt, ist Führungskraft.“

Seine Versprechen konnten vollmundiger kaum sein. Eine stärkere Mittelschicht müsse her, Pläne für zwölf Millionen neuer Jobs lägen parat. Doch der stärkste Beifall brandete meist dann auf, wenn es um Emotionen ging.

Ryan gilt als begnadeter Rhetoriker, der sein Publikum auch mit Sätzen in Wallung bringt, die auf den zweiten Blick als Worthülsen erscheinen. Kostprobe: „Meine Mutter ist mein Rollenvorbild.“ Oder: „Mein Dad sagte mir immer. Sohn, Du hast eine Wahl: Du kannst Teil des Problems sein, oder Du kannst Teil der Lösung sein.“

Das hätte auch Sarah Palin sagen könne, die vor vier Jahren Vize-Kandidatin war – und mit ihren Sprüchen schwer aneckte. Ryan erweckt damit Begeisterungsstürme.

Romney hat den smarten Abgeordneten aus Wisconsin zum „Mann an seiner Seite“ erhoben, weil Ryan vor allem das kann, was er selbst nur schwerlich vermag: Die Wähler mitreißen, die Partei mobilisieren - und menschlich gut rüberzukommen.

Doch Skeptiker fragen, ob Ryan tatsächlich geeignet ist, im Fall der Fälle die Führung im Weißen Haus zu übernehmen. Schließlich muss der Vize-Präsident der USA innerhalb von Stunden ans Ruder, wenn dem Präsidenten etwas zustößt. Ryan gilt außenpolitisch als völlig unerfahren.

Doch vor allem warnen Kritiker vor den Folgen seiner radikalen Steuerpläne. Ryan machte damit bereits vor Monaten Furore: Das System solle vereinfacht werden, künftig solle es nur noch zwei Steuersätze geben.

Die „Washington Post“ zitierte dazu aus einer Analyse des Center for Budget and Policy Priorities: Demnach würden Amerikaner mit einem Jahreseinkommen von 10 000 bis 20 000 Dollar knapp 200 Dollar Steuern mehr zahlen. Leute, die eine Million Dollar verdienen, könnten dagegen um eine durchschnittliche Entlastung von fast 265 000 Dollar rechnen. „Das Schmerzliche von Ryans Steuerplänen soll erst nach den Wahlen bekanntwerden“, meinte das Blatt. An Ryan prallen solche Vorwürfe ab.

Auf andere Kritik reagiert Ryan mit bemerkenswertem rhetorischen Geschick. Kritiker bestaunen sein Geschick, sich als frische Kraft zu empfehlen – obwohl er doch schon seit seinem 28 Lebensjahr im Kongress sitzt. Meint Ryan: „Ich habe gelernt, wie Washington funktioniert und wie es nicht funktioniert.“

Andere hegen den Verdacht, dass Ryan auch ein exzellenter Blender ist. Die „New York Times“ berichtete unlängst unter Berufung auf lokale Medien, Ryan sei bei Wahlkämpfen in der Heimat früher mitunter gerne mit einem Schutzhelm auf dem Kopf zum Stimmenfang vor Fabriktoren erschienen – um bei den Arbeitern den Eindruck zu erwecken, er sei einer von ihnen.