Dem früheren Schachweltmeister Garri Kasparow droht Haft. Westerwelle kritisiert die Verurteilung der Musikerinnen und hält die Strafen für zu hart.

Moskau. Die Verurteilung von Mitgliedern der russischen Punkband Pussy Riot hat auch am Wochenende Kritik und Empörung ausgelöst. Wegen seines Protests gegen das Urteil droht nun auch dem früheren Schachweltmeister Garri Kasparow eine Anklage wegen Gewalt gegen Gesetzeshüter. Das meldete die Nachrichtenagentur Interfax am Samstag unter Berufung auf eine Gewährsperson. Kasparow erwäge nun seinerseits rechtliche Schritte gegen die Polizisten, die ihn am Freitag vor dem Gebäude des Moskauer Chamowniki-Gerichts festgenommen hätten, hieß es.

Dort waren die Punk-Rockerinnen am Freitag wegen einer Protestaktion gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin zu je zwei Jahren Haft verurteilt worden. Hunderte Anhänger der Gruppe protestierten gegen den Prozess. Die Polizei nahm mehrere Dutzend Demonstranten fest, darunter neben dem Putin-Kritiker Kasparow auch den linken Oppositionsführer Sergej Udalzow.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) kritisierte die Verurteilung der Musikerinnen. „Zwei Jahre Haft für politischen Protest und ein Punk-Gebet in einer Kirche – diese Strafe ist zu hart“, schrieb Westerwelle in einem Beitrag für die „Bild“-Zeitung (Onlineausgabe). Westerwelle räumte ein, die jungen Musikerinnen hätten mit ihrer provokanten Aktion gewiss religiöse Gefühle verletzt, aber ein starkes Land wie Russland müsse so viel künstlerische Freiheit aushalten. Das Urteil sei „leider ein Signal der Einschüchterung“, sagte er.

+++Pussy Riot verbreiten neues Anti-Putin-Lied+++

Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning (FDP), forderte nach dem harten Urteil, sportliche Großereignisse in Russland zu nutzen, um auf das Schicksal von Regimegegnern aufmerksam zu machen. „In zwei Jahren sind in Russland Olympische Spiele, vier Jahre später die Fußball-WM – beides darf nicht zu einer Propaganda-Show für Präsident Putin werden“, sagte Löning der Zeitung „Bild am Sonntag“.

Der russisch-stämmige Bestsellerautor Wladimir Kaminer sieht in seiner Heimat eine neue Protestbewegung entstehen. Der Zeitung sagte der Schriftsteller: „Die Älteren glauben nicht mehr daran, dass man hier etwas ändern kann. Aber die jungen Leute sind nun bereit, ihr Missfallen über die Verhältnisse auszudrücken und ihren Protest dagegen auf die Straße zu tragen.“

Pussy Riot veröffentlichten noch vor der Urteilsverkündung gegen drei ihrer Mitglieder am Freitag einen neuen Protestsong gegen Putin. Ein Mitglied der mindestens zehnköpfigen Gruppe, das der Verhaftung bei der Protestaktion Ende Februar entkam, spielte das Lied vom Balkon eines Wohnhauses gegenüber dem Gerichtsgebäude, wo das Urteil gegen die drei jungen Frauen verlesen wurde. Dann warf die vermummte Frau CDs mit dem neuen Lied in die Menge.

+++Schuldig im Namen Putins: Pussy Riot verurteilt+++

Die Russisch-Orthodoxe Kirche hat den verurteilten Mitgliedern der Band nach Angaben zweier ranghoher Würdenträger vergeben. Das habe die Kirche bereits unmittelbar nach dem „Punk-Gebet“ der drei Sängerinnen getan, sagte der Leiter des Moskauer Sretenski-Klosters, Tichon Schewkunow, am Samstag im Staatsfernsehen. Der Kleriker gilt vielen als geistlicher Ratgeber Putins. Der Erzpriester Maxim Koslow pflichtete Schewkunow bei. Gleichzeitig hoffe er jedoch, dass die jungen Frauen und deren Unterstützer „merken, dass ihre Aktionen schrecklich waren“, sagte Koslow im Staatsfernsehen. Die beiden Geistlichen hatten die Strafverfolgung der Pussy-Riot-Mitglieder unterstützt.

Die Frauen hatten am 21. Februar bei einer Protestaktion in einer Kirche in einem „Punk-Gebet“ die Gottesmutter angerufen, den kurz darauf wieder zum Präsidenten gewählten Putin zu verjagen.

Drei Demonstranten haben am Sonntag während eines Gottesdienstes im Kölner Dom lautstark gegen die Verurteilung der drei Mitglieder der russischen Punkband Pussy Riot demonstriert. „Eine 20-jährige Frau und zwei Männer im Alter von 23 und 25 Jahren haben wild Parolen skandiert und ein Transparent hochgehalten“, sagte ein Polizeisprecher.

Die Drei waren bunt kostümiert, auf dem Transparent stand in rosfarbenen Buchstaben der Schriftzug: „Free Pussy Riot and all Prisoners“ (Freiheit für Pussy Riot und alle Gefangenen„). Mehrere Domschweizer, deren Aufgabe es ist, im Dom für Ordnung und Ruhe zu sorgen, drängten die Demonstranten nach draußen. Gegen die Aktivisten wurde Strafanzeige unter anderem wegen Hausfriedensbruchs und Störung der Religionsausübung erstattet.

(dapd)