Dem 54 Jahre alten wegen der Ermordung eines Polizeispitzels verurteilten Häftling war 2004 bei einem Test ein grenzwertiger IQ attestiert worden.

Huntsville/Washington. Im Gefängnis von Huntsville im US-Bundesstaat Texas ist ein möglicherweise geistig zurückgebliebener Häftling mit der Giftspritze hingerichtet worden. Das bestätigte am Dienstagabend (Ortszeit) ein Sprecher der Haftanstalt.

Das Oberste Gericht der USA hatte nur wenige Stunden zuvor am Dienstagabend einen Antrag der Anwälte des 54-jährigen Marvin Wilson auf Aussetzung der Hinrichtung abgelehnt. Die Anwälte hatten auf den niedrigen Intelligenzquotienten des Verurteilten hingewiesen. Bei einem psychologischen Test 2004 hatte Wilson 61 Punkte erreicht, während allgemein 70 Punkte als Schwelle zu geistiger Kompetenz betrachtet werden.

Wilson war wegen der Ermordung eines Polizeispitzels im November 1992 zum Tod verurteilt worden. Die Staatsanwaltschaft hatte argumentiert, dass der Test, bei dem der niedrige IQ festgestellt worden war, aus dem Jahr 2004 stamme und fehlerhaft gewesen sei. Andere Untersuchungen seitdem wiesen darauf hin, dass Wilson nicht als geistig behindert einzustufen sei. Auch die Art und Weise, wie er früher als Drogenhändler agiert und wie er den Mord ausgeführt habe, deuteten auf Fähigkeiten hin, die die eines geistig Behinderten überstiegen.

Das Oberste Gericht hatte 2002 die Hinrichtung geistig Behinderter in einem Grundsatzurteil untersagt, die Definition einer solchen Behinderung aber den einzelnen Staaten überlassen. Wilsons Anwalt Lee Kovarsky sagte, Texas umgehe das Verbot, indem es die Definition so auslege, dass ein Häftling sie praktisch nicht erfüllen könne.

In den vergangenen Wochen hatte ein ähnlicher Fall in Georgia für Aufsehen gesorgt. Dort sollte der verurteilte Mörder Warren Hill durch die Giftspritze sterben, obwohl er nach mehreren Gutachten einen Intelligenzquotienten von lediglich knapp 70 hat. Die Exekution war aber kurzfristig vom höchsten Gericht des Staates gestoppt worden, nachdem der 52-Jährige Einspruch gegen die Hinrichtungsmethode eingelegt hatte.

Wilson war nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) der siebte Häftling, der in diesem Jahr in Texas hingerichtet wurde. Für mindestens neun weitere Todeskandidaten sind in den kommenden Monaten Hinrichtungen angesetzt. Seit der Wiedereinführung der Todesstrafe 1976 seien laut AI dort fast 500 Menschen exekutiert worden – mehr ein Drittel aller vollstreckten Todesurteile in den USA.

Mit Material von dpa und dapd