Das syrische Militär geht vehement gegen die Rebellen in der Millionenmetropole Aleppo vor. 200.000 Menschen sind auf der Flucht.

Damaskus/Kairo. US-Verteidigungsminister Leon Panetta sieht im Bürgerkrieg in Syrien in der aktuellen Offensive gegen Aleppo den Anfang vom Ende des Regimes von Präsident Baschar Assad. Wenn die Angriffe mit Kampfhubschraubern und anderen schweren Waffen auf die eigene Bevölkerung fortgesetzt werden, werde sich dies als „Nagel im Sarg Assads erweisen“, sagte Panetta am Sonntag zum Beginn einer Nahostreise.

Bei den bevorstehenden Gesprächen in Tunesien, Ägypten, Israel und Jordanien werde er für einen Konsens darüber werben, dass der syrische Machthaber zurücktreten müsse und ein Übergang zur Demokratie in dem Land einzuleiten sei, sagte Panetta weiter. Er werde auch seine Konsultationen darüber fortsetzen, dass die syrischen Chemiewaffen nicht in die falschen Hände fallen.

Im Kampf um die Vormacht in der Millionenstadt Aleppo haben Regierungstruppen und Aufständische am Montag widersprüchliche Angaben über die Lage gemacht. Staatlichen Medien zufolge wurde das umkämpfte Viertel Salaheddine, eine Hochburg der Rebellen, von Aufständischen „gesäubert“. Aktivisten in Aleppo erklärten hingegen, die Kämpfe dauerten an, Regierungstruppen seien bislang nicht in das Viertel eingedrungen. Panzer befänden sich im nahegelegenen Bezirk Hamdanija, Salaheddine selbst sei aber weiterhin in Rebellenhand, sagte der Aktivist Mohammed Said.

Die UN-Nothilfekoordinatorin Valerie Amos hat auf Schätzungen internationaler Hilfsorganisationen verwiesen, wonach innerhalb von zwei Tagen rund 200.000 Menschen vor der Gewalt in der syrischen Wirtschaftsmetropole Aleppo und umliegenden Gebieten geflohen sind. Es sei unklar, wie viele Menschen noch in Gegenden eingeschlossen seien, wo die Kämpfe weitergingen, sagte Amos am Sonntag unter Berufung auf Zahlen des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) und des Syrisch-Arabischen Roten Halbmonds. Die Flüchtlinge seien dringend auf Lebensmittel und Trinkwasser angewiesen, betonte die Nothilfebeauftragte.

Amos forderte die Konfliktparteien in Syrien auf, Opfer unter der Zivilbevölkerung zu vermeiden. Sie sei „äußerst besorgt über die Folgen von Beschuss und des Einsatzes von Panzern und anderer schwerer Waffen“ nicht nur für die Menschen in Aleppo, sondern auch in der Hauptstadt Damaskus und umliegenden Ortschaften, erklärte Amos.

Im Kampf um die Vormacht in Aleppo machten Regierungstruppen und Aufständische am Montag widersprüchliche Angaben über die Lage in der Millionenstadt. Staatlichen Medien zufolge wurde das umkämpfte Viertel Salaheddine, eine Hochburg der Rebellen, von Aufständischen „gesäubert“. Aktivisten in Aleppo erklärten hingegen, die Kämpfe dauerten an, Regierungstruppen seien bislang nicht in das Viertel eingedrungen. Panzer befänden sich im nahegelegenen Bezirk Hamdanija, Salaheddine selbst sei aber weiterhin in Rebellenhand, sagte der Aktivist Mohammed Said.

Landesweit kamen am Sonntag nach Angaben von Aktivisten in Syrien 95 Menschen ums Leben, die meisten von ihnen in Aleppo, den Vororten von Damaskus und in der südlichen Provinz Daraa, wo in der Ortschaft Scheich Meskin mindestens 30 Menschen hingemetzelt worden sein sollen. Ihre Leichen seien verbrannt worden, berichteten Aktivisten. Eine unabhängige Überprüfung der Angaben war nicht möglich.

Unterdessen kündigte der oppositionelle Syrische Nationalrat Gespräche zur Bildung einer Übergangsregierung an. Ein erstes Treffen sei für diesen Dienstag in Kairo geplant, sagte Nationalratsmitglied Halit Hoca der Deutschen Presse-Agentur in Istanbul. Ziel sei es, außerhalb Syriens eine Regierung zu bilden in Opposition zu dem Regime von Präsident Baschar al-Assad.

Die Regimetruppen griffen die FSA-Stellungen das ganze Wochenende über in mehreren Bezirken Aleppos an. Dabei kamen auch Raketenwerfer und von Hubschraubern abgesetzte Luftlandetruppen zum Einsatz. Das staatliche syrische Fernsehen sprach von einer großangelegten „Operation zur Säuberung Aleppos von bewaffneten terroristischen Gruppen“.

FSA-Kommandos waren vor etwas mehr als einer Woche erstmals in Aleppo eingerückt. Die Geschäftsmetropole im Norden Syriens ist nur 50 Kilometer von der türkischen Grenze entfernt. Die Aufständischen hatten mehrere Stadtbezirke, aber auch das Gebiet bis zur türkischen Grenze unter ihre Kontrolle gebracht. Wegen der strategischen Bedeutung der Großstadt liegt dem Regime in Damaskus viel daran, die Rebellen von dort zu vertreiben. In den vergangenen Tagen hatte es Tausende Soldaten aus anderen Landesteilen zusammengezogen und vor Aleppo in Stellung gebracht.

DRK-Präsident sieht „menschliche Katastrophe“

Der Präsident des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), Rudolf Seiters, hat sich äußerst besorgt über die Lage in Syrien geäußert. Der frühere Bundesinnenminister sprach am Montag im Inforadio des RBB von einer „menschlichen Katastrophe allererster Ordnung“. Die Situation sei „in der Tat in den letzten Tagen immer schlimmer geworden“ für die Bevölkerung.

Die Nachbarländer, etwa Jordanien, seien wegen der Flüchtlinge in einer schwierigen Situation, sagte der DRK-Präsident. Das Internationale Rote Kreuz helfe, wo es helfen kann. Allerdings seien die Möglichkeiten begrenzt, die Gefährdungslage für die Helfer sei außerordentlich groß. „Wir tun, was wir können“, unterstrich Seiters. Auch das Deutsche Rote Kreuz helfe.

Erschwerend wirke allerdings, dass die Regeln des humanitären Völkerrechts nicht beachtet würden, beklagte der DRK-Präsident. Der Zugang der Helfer zu den Bedürftigen sei nicht gewährleistet.

Seiters berichtete, dass rund um die syrische Hauptstadt Damaskus in den vergangenen Tagen 60 Schulen zu Notunterkünften für Familien umfunktioniert worden seien. Dort hätten in kurzer Zeit 11.800 Menschen Zuflucht gefunden. Das zeige, wie dramatisch und katastrophal die Situation sei. Gebraucht würden etwa Lebensmittel, Medikamente und Decken – also Dinge, die erst einmal zum Überleben notwendig seien.

Löning: Assad soll Rotem Kreuz Zugang verschaffen

Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning, hat Syrien aufgerufen, Hilfsorganisationen Zugang zur Not leidenden Zivilbevölkerung zu gewährleisten. Dabei warf er Russland vor, eine „schützende Hand“ über den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad zu halten. „Sowohl was Präsident Assad dort macht, als auch die politische Position der Russen ist unerträglich“, sagte der FDP-Politiker im ARD-„Morgenmagazin“ am Montag. „Humanitärer Zugang ist das Minimum, was wir brauchen.“ Das Rote Kreuz müsse „die Leute versorgen können“.

„Es gibt auch Berichte, dass die Rebellen dort nicht immer den Schutz der Zivilbevölkerung im Auge haben“, sagte Löning. „Aber es ist hauptsächlich Verantwortung von Präsident Assad und seiner Regierung, diesen Konflikt zu einem Ende zu führen, einen politischen Weg einzuschlagen.“

Löning rief die Deutschen zu Spenden auf. Bei den Flüchtlingen handele es sich fast ausschließlich um Frauen und Kinder. „Die brauchen unsere Hilfe.“

(dpa/dapd/epd)