Präsidentschaftskandidat der US-Republikaner lässt beim seinem Besuch in der britischen Hauptstadt fast kein diplomatisches Fettnäpfchen aus.

Washington. Wer das Wappentier der amerikanischen Republikaner kennt und zudem die englische Entsprechung für "Am A... der Welt", kommt an dieser Pointe kaum vorbei: Mitt Romney trat in London auf wie der Elefant in the middle of nowhere.

Der Präsidentschaftskandidat, der zur Eröffnung der Olympischen Spiele die britische Hauptstadt besucht, mäkelte über "beunruhigende" Mängel bei der Vorbereitung des Sportfestes, stellte den Enthusiasmus der Londoner infrage, beklagte einen Streik, der bereits beendet war und brüstete sich mit einem Gesprächstermin, der üblicherweise diskret verschwiegen wird.

Ob Romney zwischenzeitlich außerdem noch der Name eines hochmögenden Gesprächspartners entfallen war, lässt sich nicht belegen. Aber der schiere Anschein passte einfach in den Pleiten-, Pech- und Pannenstart seiner Auslandsreise, über den sich spitze Retourkutschen der Gastgeber, böse Schlagzeilen und jede Menge Häme beim Internet-Kurznachrichtendienst Twitter ergoss.

Es gebe "beunruhigende" Hinweise zur Frage, ob London ausreichend vorbereitet sei auf die Spiele, hatte Romney in einem Interview des US-Senders NBC gesagt. Er verwies dazu auf die Berichte über die private Sicherheitsfirma, "die nicht genügend Leute hat", und einen "vermutlichen Streik der Einreise- und Zollbehörde".

+++ Romney versucht Schaden zu begrenzen +++

Über das Desaster mit der unzuverlässigen Sicherheitsfirma war weltweit berichtet worden, und auch darüber, dass Militär und Polizei die Lücken im Personal füllen sollen. Den angedrohten Streik an Flughäfen hatte die Gewerkschaft bereits am Morgen abgesagt, nachdem die Regierung zusätzliche Stellen bewilligte.

Dennoch hatte Romney, der erfolgreiche Manager der Olympischen Winterspiele 2002 in Salt Lake City, in vorsichtiger Form nur jene Kritik referiert, die britische Politiker, Londoner Bürger und internationale Medien über Wochen wesentlich drastischer formulierten. Aber ein Kandidat fürs Weiße Haus, der seine Auslandsreise nutzen wollte, um globale Trittsicherheit zu demonstrieren, sollte nicht im Vorfeld über Organisationsmängel eines Großereignisses räsonieren, das er just besuchen will.

Noch tiefer ins diplomatische Fettnäpfchen trat Romney, als er den Enthusiasmus der Londoner indirekt in Frage stellte. Im besagten Interview wurde er gefragt, ob London denn gut vorbereitet sei auf die Spiele. Er ließ wissen, es bedürfe dreier Elemente, um die Spiele zu einem Erfolg zu machen: nämlich die Begeisterung der Athleten, und die sei "überwältigend", den Eifer der freiwilligen Helfer, der großartig sei - und dann folgte ein deutliches und erkennbar skeptisches "aber" zur selbst gestellten Frage, ob die Menschen der Stadt "zusammenkommen und den olympischen Moment feiern" werden. "Das ist etwas, was wir erst herausfinden können, wenn die Spiele tatsächlich beginnen", so Romney. Eine Äußerung, die bei den Briten gar nicht gut ankam. Das Gastland reagierte brüskiert ob der Skepsis des Amerikaners.

Auch Premier David Cameron, den Romney in Downing Street No. 10 traf, giftete prompt zurück. "Wir veranstalten Olympische Spiele in einer der emsigsten, aktivsten, geschäftigsten Städte der ganzen Welt", sagte Cameron, der sicher gern von miserablen Wirtschaftsdaten ablenkte, die wenige Stunden zuvor bekannt geworden waren. "Und natürlich ist das einfacher, als wenn man Olympische Spiele am Ende der Welt veranstaltet."

Der englische Ausdruck "middle of nowhere" lässt sich, wie gesagt, auch drastischer übersetzen. Auf jeden Fall hält sich Camerons Hochachtung für Salt Lake City im Mormonen- und Wüsten-Staat Utah in Grenzen - und damit auch für die seinerzeit von Romney organisierten Spiele.

Auch Londons schrill-konservativer Bürgermeister Boris Johnson keilte zurück. Bei der Entzündung des Olympischen Feuers im Olympiapark in der "großartigsten Stadt der Welt" rief Johnson ins Publikum: "Ich höre, da ist ein Typ namens Mitt Romney, der wissen möchte, ob wir bereit sind. Sind wir bereit?" Und aus rund 100 000 Kehlen rief es zurück: "Yes, yes, yes."

+++ Mitt Romney würde auf Europa setzen +++

Der Kandidat aus Amerika ruderte anschließend kräftig zurück und versicherte in jedes verfügbare Mikrofon hinein, die Spiele würden zweifellos großartig, und die Menschen in London seien fantastisch und kleinere Probleme bei der Vorbereitung nirgends zu vermeiden. Aber da hatte ihn die Woge des Unmuts bereits erfasst. Als er bei einer gemeinsamen Begegnung mit Journalisten den neben ihm stehenden Oppositionsführer Ed Miliband als "Mr. Leader" ansprach, wurde sofort gemutmaßt, ihm sei der Name des Labour-Chefs entfallen. Und dass er die Presse wissen ließ, er habe auch den Chef des britischen Geheimdienstes MI 6 getroffen, wurde als unzulässige Indiskretion gewertet. Über Begegnungen mit Nachrichtendiensten spricht man so wenig wie über Besuche in Rotlicht-Vierteln.

Der britische Olympia-Minister Jeremy Hunt rief Romney gestern dazu auf, bei der Eröffnungsfeier gut aufzupassen. "Wir werden der Welt zeigen, dass acht der zehn weltweit wichtigsten Sportarten entweder in Großbritannien erfunden oder in Regeln gefasst wurden, und nur zwei in Amerika - ich hoffe, Herr Romney guckt zu", sagte Hunt dem Sender ITV. Auch in Amerika fragt man sich: Was sollte das? Warum Frontalkritik am treuesten Verbündeten der USA - und das einen Tag vor der Eröffnung der Spiele? Besonders streng urteilte die "Washington Post" über den Fehltritt. "Der republikanische Präsidentschaftskandidat beleidigt Großbritannien", schrieb sie.

Die weiteren Stationen von Romneys Reise dürften ebenfalls heikel werden. Es geht nach Israel, aber auch nach Polen. Es heißt, in Warschau wolle Romney, der sich bislang als außenpolitischer Hardliner präsentierte, ein paar saftige Bemerkungen in Richtung Russland abfeuern. Schon vor einiger Zeit hatte er das Land als "unseren geopolitischen Feind Nummer eins" gebrandmarkt. Das war selbst Parteifreunden und Konservativen etwas zu stark. "Come on Mitt", soll Ex-Außenminister Colin Powell gesagt haben. "So ist das doch gar nicht."