Auf seiner ersten großen Auslandsreise will der republikanische Präsidentschaftskandidat Boden gegen US-Präsident Obama gutmachen.

Washington. Im Olympiastadion in London wird Mitt Romney morgen die Eröffnungsfeier der 30. Sommerspiele miterleben. Schon unmittelbar vor dem Start zu seiner ersten großen Auslandsreise rechnete der republikanische Kandidat fürs Weiße Haus kräftig mit der Außenpolitik des demokratischen Amtsinhabers ab. Barack Obama habe im Umgang mit anderen Nationen "Vertrauen geschenkt, wo es nicht angemessen ist, Kränkung, wo sie nicht verdient war, und um Entschuldigung gebeten, wo das nicht nötig war", sagte Romney am Dienstag in einer Rede vor Veteranen in Reno (Nevada). Sein schärfster Vorwurf: Aus dem Weißen Haus seien als geheim klassifizierte Informationen gestreut worden, um Obama als harten Kämpfer gegen den Terrorismus zu profilieren. Das bezog sich auf Details zu Drohneneinsätzen gegen Al-Qaida-Terroristen und zum amerikanisch-israelischen "Cyberwar" gegen iranische Atomanlagen. "Das verrät unser nationales Interesses", sagte Romney und verlangte eine Untersuchung der Vorgänge durch einen unabhängigen Ermittler.

In London, Danzig und Jerusalem, "drei Leuchttürmen der Freiheit", wie Romney seine Ziele charakterisierte, will der Kandidat während der "Hör-und-Lern-Reise" globale Trittsicherheit demonstrieren. Auf der Route sollte eigentlich auch ein Treffen mit Angela Merkel in Berlin stehen. Aber die Kanzlerin ließ dem Kandidaten absagen, weil sie gestern von Bayreuth aus in den Urlaub nach Südtirol, Salzburg und schließlich in die Uckermark aufbrach.

+++ Wirtschaftsthemen sind den US-Wählern am wichtigsten +++

Fähigkeiten auf außenpolitischem Terrain sind kaum zentral für den Wahlausgang, zumal in einer Zeit mit einer schwächelnden Wirtschaft. Nach einer Umfrage von NBC News und "Wall Street Journal" führt Romney mit 43 zu 36 Prozent klar vor Obama auf dem wichtigen Feld der Wirtschaftskompetenz. Doch bei der Frage, wer der bessere "Commander-in-chief", also der für die nationale Sicherheit verantwortliche Präsident, wäre, hält Obama mit 45 zu 35 Prozent einen ebenso deutlichen Vorsprung. Auch der bessere Außenpolitiker ist der Präsident nach Ansicht der Wähler. Dort stellt er mit 52 zu 40 Prozent Romney in den Schatten, ermittelten soeben "USA Today" und das Gallup-Institut. Bei der Frage nach den grundsätzlichen Wahlabsichten führt Obama im Durchschnitt der relevanten Institute hingegen nur knapp mit 46,4 zu 44,6 Prozent.

Romney muss also auf Gebieten außerhalb der Wirtschaft Boden gutmachen. Deswegen greift er den Präsidenten seit Monaten mit außenpolitischen Themen an. Zu seinen Vorwürfen gehört, dass die öffentliche Ankündigung des Truppenabzugs aus Afghanistan bis Ende 2014 ein Fehler gewesen sei. Im Falle seiner Wahl werde er die Afghanistan-Politik überprüfen, kündigt Romney an. Den Abzugstermin will er allerdings auch nicht infrage stellen.

Ähnlich vage bleibt die Kritik des Kandidaten bei anderen Themen. Russland etwa sei "unser geopolitischer Herausforderer Nummer eins", sagte Romney im März, und er will die von Obama ohnehin nur mittelmäßig erfolgreich gestartete Neuprogrammierung des bilateralen Verhältnisses, das "Reset", nach seiner Wahl stoppen.

+++ Hart, aber platt – US-Wahlkampf wird hässlich +++

Doch was nach Wiederbelebung des Kalten Krieges klingt, darf deutlich nüchterner als Buhlen um konservative Wähler verstanden werden. Romney hat sich mit einer beeindruckenden Phalanx kluger Denker umgeben, die ihn außenpolitisch beraten. Das gesamte Tableau deutet auf außenpolitische Kontinuität hin, wie es bei Machtwechseln in den USA ohnehin die Regel ist.

Gleichwohl wird es Unterschiede im Detail geben. Während Obama sich als "erster pazifischer Präsident" der USA versteht, dürfte sich der lautstarke China-Kritiker Romney wieder mehr den Europäern zuwenden. Gute Chancen, eigene Akzente zu setzen, hat Romney in der Nahost-Politik. Er will am Sonntag in Jerusalem mit Israels Premier Benjamin Netanjahu frühstücken und danach unter anderem Salam Fayad treffen, den Präsidenten der Palästinensischen Übergangsbehörde. Washingtons Verhältnis zu Jerusalem ist angekratzt, seitdem Obama beim Versuch, der islamischen Welt die offene Hand anzubieten, die Einstellung des israelischen Siedlungsbaus als Vorleistung für neue Verhandlungen forderte.

Dennoch stehen die jüdischen Wähler in den USA mit 64 zu 29 Prozent mehrheitlich hinter Obama, ermittelte Gallup. Aber bei der Wahl vor vier Jahren waren es noch 74 Prozent. Romney dürfte diesen Vorsprung in Jerusalem durch ausgesprochen deutliche Warnungen vor dem iranischen Atomprogramm und eindeutige Solidaritätsbekundungen zu Israel weiter auszuhöhlen versuchen. Doch selbst in der Iran-Politik sind die Unterschiede zwischen Romney und Obama rhetorischer Natur: Beide schließen Militärschläge nicht aus, aber beide ziehen eine diplomatische Lösung vor.