Barack Obama kämpft mit der Wirtschaftsflaute. Herausforderer Mitt Romney befremdet die Mitte mit unglaubwürdigen Parolen

Es hätte alles so einfach kommen können. Zu Beginn des Jahres schien sich die US-Wirtschaft endlich von äußeren Hemmnissen - Ölpreis, Fukushima, Euro-Krise - zu lösen und verlässlich Jobs zu schaffen. Die Arbeitslosenquote wäre unter acht Prozent gerutscht, Trend und Stimmung positiv, Obama hätte seine nächste Siegesfeier planen können. Das gaben selbst die konservativsten Wahlstrategen zu.

Oder das Gegenstück: Die vermeintliche Erholung wäre früh in eine neue Rezession gekippt. Der Präsident mit seinem "Hope"-Schildchen allein zwischen den Trümmern. Dem Multimillionär und Super-Amerikaner Mitt Romney läge seitdem das Wahlvolk zu Füßen. Ein Geschäftsmann ins Weiße Haus! Alle würden bald so reich wie er und zahlten nur noch 14 Prozent Steuern, um noch eben die Rekordschulden zu tilgen. Denn wenn die Tea Party erst die Regierung abgeschafft hätte, fielen ja keine Ausgaben mehr an.

Vier Monate vor der Wahl versuchen sich die Lager stattdessen im Graubereich der Wirklichkeit zurechtzufinden. In Umfragen bezweifeln die Amerikaner, dass der Präsident noch ein Rezept hat, die Wirtschaft anzukurbeln, zumal gegen die Dauerblockade der Republikaner. Aber sie nehmen auch seinem Herausforderer Romney nicht mehr ab, dass er der bessere Krisenmanager wäre. Aus seiner prallen Erfolgsgeschichte als Job-Erfinder ließ zunächst sein Mitbewerber Newt Gingrich die Luft heraus, dann die ersten Negativattacken des Obama-Camps.

Schuld an der Profilarmut ihrer Frontmannes sind aber zuallererst die Republikaner selbst. Sie haben die krachende Niederlage von 2008 nie genutzt, um sich zu erneuern, weder personell noch programmatisch. Lieber setzten sie den Wahlkampf fort, mit allen Mitteln. Sie schürten Angst vor dem Reformer Obama, freuten sich noch über die schlimmsten Tea-Party-Schreihälse, die ihn als Ersatz-Hitler, als Sozialisten und als Nicht-Amerikaner verhöhnten. Sogenannte Newskanäle zelebrierten es, denn es war schrill, kontrovers und unterhaltsam.

Stilregeln galten nicht mehr, Substanz hätte gestört. Sind die Gegner zu stark, ist Obama zu schwach. Kurzfristig hatten sie Erfolg, die Kongresswahlen spülten Tea-Party-Leute ins Parlament, die plötzlich waren, was sie zuvor bekämpft hatten: Politiker in Washington. Beantwortet haben sie nichts. Die Sympathieraten des US-Kongresses sind auf dem Tiefststand.

Trotzdem spielte auch Romney die Ideologen-Platte den ganzen Vorwahlkampf hindurch ab. "Wir werden beweisen, dass Obama die letzte liberale Zuckung in diesem Land war", polterte er, Amerika dürfe nicht wie Europa werden, nicht dessen "bankrotter Ideologie" folgen - als sei eine allgemeine Krankenversicherung, die Menschen auch noch schützt, wenn sie tatsächlich krank werden, der Vorhof zur Hölle. Am rechten Parteirand kam das prächtig an.

Die politische Mitte Amerikas aber, die Wahlen entscheidet, hat Romney so befremdet. Warum sollte sie ihm abnehmen, nachdem er Europa derart für toxisch erklärt hat, dass Frau Merkels Handschlag ihn zum profilierten Außenpolitiker macht? "Man weiß nie, wofür er steht", sagten uns Wähler selbst im konservativen Stammland South Carolina. Es ist nur zu verständlich. Jeder halbwegs informierte Amerikaner weiß, dass Obamas Gesundheitsreform ein funktionierendes Vorbild hat: die gleiche Reform, konzipiert von den gleichen Beratern, im Bundesstaat Massachusetts, unter Gouverneur Mitt Romney. Wie sollen sie ihm glauben, dass er damals davon überzeugt war, heute aber kaum etwas wichtiger findet, als Obamas Reform rückgängig zu machen?

Oder in der Außenpolitik: "Bleibt Obama Präsident, baut sich der Iran die Bombe", schüchterte er Wähler ein. Dabei rät selbst das US-Militär von Angriffen auf Teherans Atomanlagen ab, und auch Romney will erst abwarten, wie die westlichen Sanktionen wirken. Wo ist der substanzielle Unterschied, der solche Parolen rechtfertigt? Immer mehr Wähler ahnen, dass es ihn nicht gibt. Obama hat kaum Fehler gemacht in seiner Amtszeit. Daran vor allem liegt es, dass die Republikaner auf seine Dämonisierung bisher nicht verzichten konnten. Wer legt da Wert auf Stil?

"Werden Sie mir als Präsident erlauben, meine Waffe zu behalten, um mich gegen eine tyrannische Regierung wie die jetzige zu wehren?" fragte in Ohio jemand den Wahlkämpfer Romney. Jeder verantwortliche Politiker hätte dem Mann zunächst freundlich geraten, Tyrannen anderswo zu suchen. Romney nicht. Ja, sicherte er der Menge zu, er schütze ihr Waffenrecht.