Der Weltsicherheitsrat kann sich wieder einmal nicht auf eine solide Syrien-Resolution einigen. Derweil gibt es wieder ein Massaker mit bis zu 250 Toten. Die Opposition fordert schnelle Hilfe, notfalls auch unter Umgehung des blockierten Sicherheitsrates.

Beirut. Ungeachtet aller Appelle der Weltgemeinschaft zu Gewaltverzicht sollen regierungstreue Milizen nur wenige Wochen nach dem Massaker von Hula ein neues Blutbad in Syrien verübt haben. In dem Dorf Tremseh sind nach unterschiedlichen Angaben zwischen 220 und 250 Menschen getötet worden, unter ihnen viele Frauen und Kindera. Unterdessen warf die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch den Regierungstruppen von Präsident Baschar Assad den Einsatz von Streubomben im Kampf gegen Regimegegner vor.

Regierung und Opposition machten sich am Freitag gegenseitig für das Blutbad in dem nördlich von Hama gelegenen Dorf verantwortlich. Syriens Opposition gab der internationalen Gemeinschaft dafür eine Mitschuld und forderte eine schnelle Intervention. Eine unabhängige Überprüfung der Angaben zu dem Massaker ist nicht möglich. Sollten sich die Angaben bewahrheiten, wäre es das schlimmste Massaker an Zivilisten seit Beginn der Proteste gegen das Regime von Präsident Baschar al-Assad vor 16 Monaten. Ende Mai waren in der Ortschaft Al-Hula 108 Zivilisten getötet worden.

Aktivisten berichteten, dass Kräfte des syrischen Regimes das „abscheuliche Verbrechen“ in Tremseh verübt hätten. „Mehr als 220 Menschen wurden getötet und rund 300 weitere verletzt“, sagte Abu Omar, der örtliche Kommandeur der oppositionellen Freien Syrischen Armee, der Nachrichtenagentur dpa in der Nacht zum Freitag. Die Allgemeine Kommission für die Syrische Revolution erklärte, die Armee habe das Dorf am Donnerstag erst belagert und unter Beschuss genommen. Dann seien Milizionäre des Regimes aus umliegenden Dörfern in den Ort gekommen, um die Menschen in ihren Häusern zu töten.

Die syrische Regierung machte dagegen Oppositionskräfte für das Massaker verantwortlich. Ziel sei es, die öffentliche Meinung gegen Syrien aufzuheizen. Das Massaker sei während der Sitzung des UN-Sicherheitsrates verübt worden. Es diene dazu, ein militärisches Eingreifen von außen vorzubereiten.

Die internationale Gemeinschaft trägt nach Ansicht der syrischen Opposition mit Schuld an dem Massaker in dem Dorf Tremseh. Basma Kadhmani, ein führendes Mitglied des Syrischen Nationalrates, sagte am Freitag, der Tod von Dutzenden von Menschen in Tremseh zeige die „logische Verbindung zwischen den Initiativen, die bis heute umgesetzt wurden, und dem Blutvergießen vor Ort“. Es sei nicht genug, darauf zu verweisen, dass der Sicherheitsrat wegen des Widerstandes von Russland handlungsunfähig sei. „Die Staaten, die ernsthaft die Absicht haben, das syrische Volk zu schützen, müssen zusammenkommen und handeln – notfalls auch außerhalb des Rahmens des Sicherheitsrates“, erklärte sie.

Amnesty International zog beim Blutvergießen in Syrien einen Vergleich zum Massaker in Srebrenica in Bosnien, wo serbische Truppen 1995 kurz nach Eroberung der damaligen UN-Schutzzone rund 8000 muslimische Männer und Jugendliche hingerichtet hatten. „Der Vergleich ist verständlich“, sagte Widney Brown, Syrien-Expertin der Menschenrechtsorganisation der Nachrichtenagentur dpa in London. „Es ist ganz klar, dass die syrische Armee gegen Zivilisten vorgeht“, sagte sie. „Die Aufgabe der Vereinten Nationen ist es, einzugreifen und die Zivilbevölkerung zu schützen“, sagte Brown.

In Syrien forderten Anhänger der Opposition die Abberufung des Sonderbeauftragten von UN und Arabischer Liga, Kofi Annan. Bei Protestaktionen wurde der Unmut gegen den früheren UN-Generalsekretär laut, der sich weiterhin erfolglos um die Umsetzung seines Friedensplans für Syrien bemüht. Aktivisten der Opposition übten Kritik an Annan, wie der US-Sender CNN berichtete. „Er (Annan) ist nichts als ein legitimer Deckmantel für die Verbrechen des Regimes von (Baschar) al-Assad“, wurde ein Demonstrant zitiert.

Ungeachtet des Blutvergießens ist der UN-Sicherheitsrat noch weit von einer Resolution zum Syrien-Konflikt entfernt. Das mächtigste Gremium der Vereinten Nationen verhandelte zwar am Donnerstag (Ortszeit) über einen Entwurf. Nach wie vor gibt es aber Widerstand Russlands, weil das Papier die Drohung von Sanktionen enthält, wenn sich die Parteien nicht an Beschlüsse des Sicherheitsrates halten.

Teilnehmer sagten anschließend, dass die Mehrheit der Mitglieder in der Strafandrohung eine notwendige und sinnvolle Unterstützung des Friedensplanes von Sondervermittler Kofi Annan sehe. Russland lehne aber nach wie vor jeden Bezug auf Kapitel VII der UN-Charta ab. Darin ist die Durchsetzung von Resolutionen geregelt, notfalls auch mit militärischen Mitteln. Der Entwurf beschränkt sich jedoch ausdrücklich auf Wirtschaftssanktionen und Reiseverbote und schließt militärische Mittel aus.

Das syrische Regime hat nach einem Zeitungsbericht damit begonnen, Chemiewaffen aus den Lagern zu holen. Die US-Regierung sei deswegen alarmiert, berichtete das „Wall Street Journal“ am Freitag. Unklar sei, ob die Waffen vor Aufständischen in Sicherheit gebracht oder einsatzbereit gemacht werden, womöglich auch nur als Drohgebärde, zitiert das Blatt Regierungsvertreter in Washington. Syrien besitze größere Mengen des Nervenkampfstoffes Sarin und Senfgas.

Die humanitäre Lage in Syrien hat sich nach Einschätzung des Deutschen Roten Kreuzes in den vergangenen Wochen deutlich verschlechtert. Mittlerweile sind von den Auseinandersetzungen 1,5 Millionen Zivilisten direkt betroffen, die dringend auf Hilfe angewiesen sind, sagte DRK-Präsident Rudolf Seiters.

Mit Material von dpa und dapd