16 Monate nach Beginn des Aufstandes schlagen sich viele Funktionäre auf Seite der Regimegegner. Syrischer Botschafter in Bagdad auch dabei.

Kairo/Damaskus. Der syrische Botschafter in Bagdad, Nawaf Faris, hat dem Regime von Präsident Baschar al-Assad einen schmerzhaften Schlag versetzt: Faris kehrte dem Regime demonstrativ den Rücken und wechselte in das Lager der Opposition. Die syrische Protestbewegung macht nun Front gegen den Syrien-Sonderbeauftragten von UN und Arabischer Union, Kofi Annan. In New York drohte einem neuen Resolutionsentwurf, mit dem das Regime Assad unter Druck gesetzt werden soll, wieder ein „Njet“ durch Russland.

In einer Rede, die der arabische Nachrichtensender Al-Dschasira am Donnerstag im Stundentakt wiederholte, stellte sich der ranghohe Diplomat Faris auf die Seite der Revolutionäre. Gleichzeitig rief er alle Mitglieder der regierenden Baath-Partei auf, seinem Beispiel zu folgen. „Das Regime hat die Partei zu einem Werkzeug der Unterdrückung des Volkes und einem Deckmantel für seine Korruption gemacht“, sagte Faris, der am Vortag sowohl seinen Posten als Botschafter im Irak als auch seine Parteimitgliedschaft aufgegeben hatte.

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An die Adresse der syrischen Soldaten sagte er: „Ist es nicht Eure Aufgabe, die Grenzen gegen ausländische Aggression zu verteidigen und nicht Eure Väter, Söhne und Freunde als Feinde zu betrachten? Ist es das, was man Euch im Militärdienst beigebracht hat?“

Offiziell unbestätigt blieben derweil Berichte aus Katar, wonach Faris vom Nordirak aus in den Golfstaat gereist sein soll, wo sich angeblich bereits seine Familie aufhielt. Katar gehört zu den wichtigsten Unterstützern der syrischen Opposition.

Die staatliche syrische Nachrichtenagentur Sana meldete, Nawaf Faris sei von seinen Pflichten entbunden worden, weil er ohne Genehmigung seinen Posten verlassen und Dinge gesagt habe, „die seiner Aufgabe zuwiderlaufen“. Präsident Assad ernannte unterdessen laut Sana vier neue Provinzgouverneure.

Derweil richtet sich der Unmut der syrischen Protestbewegung zunehmend auch gegen den UN-Sonderbeauftragten. Unter dem Motto „Nieder mit Kofi Annan, dem Diener von Assad und Iran“ sollen an diesem Freitag in Syrien landesweit Demonstrationen stattfinden. Das teilten die Organisatoren am Donnerstag in ihren Netzwerken mit. Über die Slogans für die Proteste, die seit März 2011 jeden Freitag stattfinden, stimmen die Aktivisten jeweils online ab. Annan war diese Woche zu Gesprächen in Damaskus und Teheran gewesen.

Die westlichen Staaten im UN-Sicherheitsrat setzen unterdessen weiter auf diplomatischen Druck und Sanktionen. Sie wollen dem syrischen Regime eine Frist von zehn Tagen setzen, das Töten zu beenden. Dann sollen Sanktionen greifen. Doch nach mehr als 16 Monaten Blutvergießen steckt das höchste UN-Gremium fester denn je in der diplomatischen Sackgasse – Russland hat bereits angekündigt, auch diesen vierten Resolutionsentwurf nicht mitzutragen.

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Der Resolutionsentwurf, der am Donnerstag im Sicherheitsrat verhandelt werden sollte, droht erstmals nichtmilitärische Sanktionen nach Artikel 41 der UN-Charta an. Er trägt die Handschrift Großbritanniens, Frankreichs, der USA, Portugals und auch Deutschlands. Gefordert wird ein Ende der Gewalt und der Rückzug von Truppen und schweren Waffen aus Wohngebieten innerhalb von zehn Tagen. Keine Erwähnung findet in dem Entwurf Artikel 42, der die militärischen Optionen regelt.

Regimegegner berichteten am Donnerstag von Mörserangriffen auf Kafr Susa am Stadtrand von Damaskus. Sie zählten landesweit 26 Tote, die meisten in Homs und Hama. Am Mittwoch sollen in Syrien etwa 100 Menschen getötet worden sein. Unter den Toten seien 53 Zivilisten, teilte die Organisation Syrischer Menschenrechtsbeobachter mit.

Seitdem das Regime im März vergangenen Jahres begonnen hatte, friedliche Proteste mit militärischer Gewalt niederzuschlagen, sollen nach Schätzungen von Menschenrechtsgruppen 14 000 Menschen ums Leben gekommen sein