Finnland ist gegen Staatsanleihenkäufe durch den ESM. Der EZB-Direktor warnt die Griechen vor einem Aufschnüren des Reformpakets.

Helsinki/Athen. Die auf dem EU-Gipfel mühsam ausgehandelte Rettungsstrategie für die klammen Euro-Staaten Italien und Spanien steht bereits wieder in Frage. Die finnische Regierung machte am Montag nur drei Tage nach dem Brüsseler Beschluss deutlich, dass sie ein Veto gegen Staatsanleihekäufe durch den Europäischen Rettungsfonds ESM einlegen will. „Finnland hält das für einen ineffizienten Weg, um die Märkte zu stabilisieren“, betonte ein Regierungsvertreter in Helsinki. Auch die Niederlande äußerten sich kritisch, wollen allerdings von Fall zu Fall entscheiden. Der EU-Gipfel hatte mit Blick auf Anleihekäufe der Euro-Rettungsfonds beschlossen, bestehende Instrumente „flexibler und effizienter“ zu nutzen und mit einer europäischen Aufsicht den Weg in Richtung Bankenunion zu gehen.

Für den Kauf von Bonds überschuldeter Länder ist im ESM-Führungsgremium Einstimmigkeit nötig. Ein finnisches Nein würde somit das Vorhaben torpedieren, wenngleich es einen Ausweg gibt: Sollten Europäische Zentralbank und EU-Kommission die Lage als Notfall beurteilen, kann der Fonds auch lediglich mit der Zustimmung von 85 Prozent handeln. Italien und Spanien kämpfen an den Kapitalmärkten mit dem sinkenden Vertrauen in ihre Schuldentragfähigkeit, was sich in erhöhten Zinsen für ihre Staatsanleihen bemerkbar machte. Am Rentenmarkt fand der Gipfel zu Wochenbeginn kaum noch Nachhall: Die Renditen spanischer und italienischer Anleihen gaben nur noch leicht nach.

Als Ausweg aus der Klemme am Kapitalmarkt für die klammen Euro-Länder waren in Brüssel Stützungskäufe des ESM ins Gespräch gebracht worden. Insbesondere der italienische Ministerpräsident Mario Monti und sein spanischer Kollege Mariano Rajoy hatten bis tief in die Nacht auf diese Möglichkeit gedrungen, da die EZB schon seit Monaten keine Bonds mehr aufgekauft hat und somit de facto nicht mehr zur Linderung der Refinanzierungskosten der Südländer beiträgt.

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Zugleich soll der permanente Rettungsschirm – der vom Bundestag und -Rat beschlossen wurde, aber noch vom Verfassungsgericht geprüft werden muss – notleidenden Banken im Euro-Raum künftig direkt Kapitalhilfen geben können. Wann dies soweit sein kann, steht laut Bundesregierung jedoch noch in den Sternen. Es gebe nur die Einigung, sich auf den Weg zu einer unabhängigen europäischen Bankenaufsicht zu begeben, betonte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Dazu bedürfe es etlicher Schritte und Beschlüsse. Erst danach stehe die Entscheidung an, ob und wann die Europäer direkte Hilfen über den ESM ermöglichen. Wie im Falle von Bondkäufen des ESM greift auch hier das Einstimmigkeitsprinzip – und zwar im Europäischen Rat. Vorschläge der EU-Kommission für eine europäische Bankenaufsicht sollen nach der Einigungsformel des EU-Gipfels bis Ende 2012 vorliegen.

Einen Automatismus, dass dies in direkte ESM-Bankenhilfen einmünden muss, gibt es nach Seiberts Worten aber nicht. Er verteidigte zugleich die Verhandlungslinie von Bundeskanzlerin Angela Merkel auf dem Gipfel. Wer behaupte, Geld des Euro-Rettungsschirms könne nun „quasi ohne Auflagen“ fließen, liege „grundfalsch“.

Auf das Prinzip der Konditionalität pocht auch die EZB im Falle des von der Pleite bedrohten Griechenland. Vor dem Eintreffen der sogenannten Troika in Athen warnte EZB-Direktor Jörg Asmussen vor einem Aufschnüren des Rettungspakets. „Die neue Regierung sollte ihre kostbare Zeit nicht an die Idee verschwenden, die Auflagen zu lockern oder zu umgehen“, mahnte Asmussen in Athen. Gesprächsbereitschaft signalisierte er zugleich in der „Bild“-Zeitung „beim konkreten Maßnahmenmix, mit denen die Programmziele erreicht werden sollen“.

Die Troika aus EU, EZB und IWF wird in diesen Tagen in Athen erwartet. Die Experten wollen sich über Reformfortschritte informieren und darüber entscheiden, ob das Euro-Land die nächste Kredittranche erhalten kann. Kreisen zufolge ist der Restbetrag aus der letzten Tranche in Höhe von einer Milliarde Euro nun ausgezahlt worden. Asmussen warnte vor „gefährlich kurzfristigen Teil-Analysen“, die in einem Austritt Griechenlands aus dem Euro und einer Abwertung der Landeswährung eine Alternative zu dem Rettungsplan der Troika sähen. Der Chef des Münchner Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, forderte genau dies: „Es gibt nur einen einzigen Weg, wie Griechenland gesunden kann – Austritt, Abwertung und vielleicht später wieder einzutreten“, sagte der Ökonom im Deutschlandfunk. Im Gespräch mit dem „Handelsblatt“ schlug er zugleich hoch verschuldeten Euro-Staaten wie Italien und Spanien vor, sich mit der Ausgabe von Pfandbriefen frisches Geld zu erträglichen Konditionen zu besorgen: „Alle Krisenländer haben entsprechende Notfallpläne in der Schublade“, betonte der Ifo-Chef, der dabei offenbar auf einer Linie mit Finnland liegt: Das Nordland hatte vor dem Gipfel vorgeschlagen, dass die unter einer hohen Zinslast leidenden Länder in Europa mit Vermögenswerten besicherte Pfandbriefe begeben könnten.

(reuters/abendblatt.de)