Enrique Peña Nieto wird neuer Präsident. Die umstrittene Einheitspartei PRI kehrt nach der Niederlage im Jahr 2000 an die Macht zurück.

Hamburg. Es war eine sorgfältig geplante Operation, einem Feldzug nicht unähnlich. Im Jahre 2000 hatte die mexikanische Partei der Institutionalisierten Revolution (PRI) die Macht im Lande verloren - nach 71 Jahren ununterbrochener Herrschaft.

Sie hatte bis dahin sämtliche Staatspräsidenten gestellt, fast alle Senatoren und die überwältigende Mehrheit der Abgeordneten auf nationaler Ebene sowie in den Bundesstaaten und den Gemeinderäten. Die PRI war de facto eine Einheitspartei ohne echte Opposition; all zu sehr gewöhnte sie sich an die Pfründen der Macht. Kein Wunder, dass man ihr Korruption, Vetternwirtschaft, Unterdrückung und Wahlbetrug vorwarf. Der weltberühmte Schriftsteller, Politiker und Nobelpreisträger Mario Vargas Llosa sprach von einer "perfekten Diktatur".

Die Wahlniederlage des Jahres 2000 gegen die Nationale Aktionspartei PAN war wie eine kalte Dusche für die PRI-Eliten. Zwölf Jahre lang arbeitete man auf die Rückkehr an die Macht hin. Den geeigneten Kandidaten fand man schnell: den attraktiven, smarten Regionalpolitiker Enrique Peña Nieto, der 2006 bereits mit voller Unterstützung der PRI Gouverneur seines Heimatstaates Estado de Mexico wurde. Peña Nieto stammt aus einer einflussreichen Familie und ist in zweiter Ehe mit der Schauspielerin Angelica Rivera verheiratet, die als Star einer Seifenoper berühmt wurde. Peña Nieto gab sich Mühe, möglichst oft mit seiner schönen Frau und den gleichermaßen ansehnlichen sechs Kindern abgelichtet zu werden.

+++ Der Seifenopern-Präsident: Peña Nieto regiert Mexiko +++

Nun, sieben Jahre später, sind der 45-jährige Peña Nieto und die PRI am Ziel: Der gelernte Jurist und Betriebswissenschaftler hat sich bei den Präsidentschaftswahlen durchgesetzt und wird das 115-Millionen-Volk die nächsten sechs Jahre regieren. Peña Nieto erhielt rund 38 Prozent der Stimmen, seine Gegenkandidatin von der PAN, Josefina Vázquez Mota, kam mit 26 Prozent nur auf den dritten Platz - hinter dem Linken Andrés Manuel López Obrador mit 31 Prozent

Befürchtungen, diese Wahl sei der Auftakt zu einem Rückfall in autoritäre Zeiten, gibt es viele. Doch der Berliner Politologe und Mexiko-Experte Günter Maihold, stellvertretender Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik und derzeit Gastprofessor in Mexiko, sagte: "Die mexikanische Gesellschaft hat nach dem Übergang zur Demokratie deren Verfahren und Ergebnisse akzeptiert und wird diese Errungenschaften verteidigen." Dazu zählten eine unabhängige Wahlbehörde und eine autonome Justiz. Auch sei die Gesetzgebung viel transparenter geworden; die Entwicklungen könnten kaum zurückgedreht werden.

Peña Nieto beteuert auch, seine Partei habe sich erneuert. Mit den Worten "Es gibt kein Zurück in die Vergangenheit" machte er noch in der Wahlnacht klar, dass sich seine Partei in den zwölf Jahren in der Opposition gewandelt hat. "Wir sind eine neue Generation", sagte der 45-Jährige. Mexiko werde auf dem Weg der Demokratie weitergehen und den Rechtsstaat stärken. Nieto stammt aus dem Ort Atlacomulco, der viele mächtige Figuren des Landes hervorgebracht hat - wie den einflussreichen deutschstämmigen Unternehmer und Milliardär Carlos Hank González, dem die US-Drogenbehörde vorwarf, er stecke mit den mexikanischen Drogenkartellen unter einer Decke. Peña Nietos Vorgänger Felipe Calderón von der PAN - der nicht mehr antreten durfte - hatte sich vergeblich bemüht, den mächtigen Kartellen, die über gut 300 000 Mitglieder und schwer bewaffnete Milizionäre verfügen, militärisch den Garaus zu machen.

Der Krieg eskalierte in unvorstellbar brutaler Weise, mehr als 55 000 Menschen sind den Kämpfen und den Massakern der Drogenkartelle bislang zum Opfer gefallen. Es zählt zu den schwierigsten Aufgaben des neuen Präsidenten, diese Gewalt zu beenden, ohne den Kartellen weiteren Boden zu überlassen.

+++ Neuer Präsident - alte Politik? +++

Ein Problem dabei ist, dass die PRI selber vielerorts mit den Drogenbossen kooperierte. So wird ein früherer PRI-Gouverneur des Bundesstaats Veracruz wegen seiner engen Bindungen an das ultrabrutale Drogenkartell Los Zetas gern "Zeta-1" genannt. Gegen drei weitere Gouverneure laufen Ermittlungen. Peña Nieto hat nun den ehemaligen kolumbianischen Polizeipräsidenten Oscar Naranjo als Sicherheitsberater verpflichtet. Der Vier-Sterne-General hat sich im Kampf gegen die Drogenmafia in seiner Heimat einen legendären Ruf erarbeitet. Die Personalie dient auch zu Beruhigung der US-Regierung, die die grenzübergreifende Kriminalität mit großer Sorge sieht.

Enrique Peña Nieto hat sich im Wahlkampf allerdings mit klaren Aussagen zum Drogenkrieg zurückgehalten und lediglich erklärt, es werde keinen Pakt mit den Kriminellen geben. Alles andere hätte ihn auch sofort diskreditiert. Man weiß ansonsten nur, dass er die umstrittene Präsenz des Militärs so lange aufrecht erhalten will, bis eine starke Bundespolizei aufgebaut ist.

Die andere Hauptaufgabe des neuen Staatschefs gilt der sozialen Lage im Lande, das von der Finanzkrise sehr hart getroffen wurde. 47 Prozent der Mexikaner werden bereits als arm eingestuft. Peña Nieto gilt als unternehmerfreundlich und will sich vor allem für private Investitionen in Mexiko starkmachen. Er selber steht im Verdacht, vom mächtigen Fernsehkonzern Televisa große Geldsummen angenommen zu haben, nachdem er sein Wahlkampfbudget von umgerechnet 330 Millionen Dollar weit überzogen hatte.