Ein Privatsender half Peña Nieto, die Präsidentenwahl in Mexiko zu gewinnen. Er liebt Fußball und Garnelen, spricht von Demokratie und Wandel. Doch die Vergangenheit seiner Partei lastet schwer auf dem künftigen Staatschef.

Mexiko-Stadt. Eine Menge düstere Kommentare begleiten den Wahlsieger. Mit Enrique Peña Nieto als Präsident werde Mexiko wieder zu einem autoritären Repressionsstaat, warnt etwa der Schriftsteller Juan Villoro. Er prophezeit „Ordnung inmitten von Straflosigkeit und Korruption“, wenn Peña Nieto am 1. Dezember das höchste Staatsamt übernimmt.

Nach zwölf Jahren Opposition hat der 45-jährige Jurist und Betriebswirt am Sonntag die Präsidentschaft für die Partei der Institutionalisierten Revolution (PRI) zurückerobert. Zuvor hatte sie Mexiko sieben Jahrzehnte lang autoritär regiert. Der künftige Präsident präsentiert sich hingegen als Reformer.

In seiner ersten Ansprache nach dem Wahlsieg spricht Peña Nieto viel von Demokratie, von sozialem Ausgleich und von dem Wandel, auf den so viele Mexikaner hoffen. Doch viele misstrauen ihm, dem „Dinosaurier mit jugendlichem Gesicht“, der Fußball und Garnelen liebt. Er gilt als der schönste Politiker des Landes, ihm werden viele Frauengeschichten nachgesagt.

Peña Nieto hat so viel Macht erobert wie schon lange kein mexikanischer Staats- und Regierungschef mehr. Denn seine Partei baute am 1. Juli auch ihre Mehrheit in beiden Parlamentskammern aus und regiert nun in 20 von 32 mexikanischen Bundesstaaten. Peña Nieto selbst war bis vor einem Jahr Gouverneur des mit 15 Millionen Einwohnern größten Bundesstaates Estado de México, in dem die PRI seit 1929 ununterbrochen regiert.

Während Peña Nieto in der Partei aufstieg, erlebte er ihren Niedergang auf nationaler Ebene. 1997 verlor sie die Mehrheit im Parlament, im Jahr 2000 die Präsidentschaft. Die Bevölkerung stöhnte über Korruption, Vetternwirtschaft und eine Wirtschaftskrise. Seither regierten in Mexiko christdemokratische Präsidenten, aber ohne Parlamentsmehrheit.

Peña Nieto zeigt, wie man im Mexiko des 21. Jahrhunderts wieder Mehrheiten erobert. Sein wichtigster Verbündeter ist das größte spanischsprachige Medien-Imperium, Televisa. Seit 2005 feiert der Privatsender den Politiker bei jeder Gelegenheit. Dafür lässt sich Televisa fürstlich bezahlen, wie jüngst veröffentlichte Dokumente zeigen. Televisa hat bei den TV-Zuschauern Mexikos rund 70 Prozent Marktanteil und ist vor allem für ärmere Bevölkerungsgruppen einzige Informationsquelle. Medienwissenschaftler sehen die Verquickung des Konzerns mit der Politik als ähnlich problematisch an wie bei dem früheren italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi.

All das weckt Befürchtungen, Mexiko werde in den autoritären Regierungsstil der Vergangenheit zurückfallen. Genährt werden sie auch durch Peña Nietos Gouverneursjahre. Soziale Proteste im Jahr 2006 ließ er brutal unterdrücken. Menschenrechtler beklagten zwei Todesopfer, Folter und Vergewaltigungen. Doch die Justiz, wie in allen Bundesstaaten vom Gouverneur abhängig, klärte die Übergriffe nie auf. Sie verschonte auch Peña Nietos Amtsvorgänger, seinen entfernten Onkel und politischen Mentor Arturo Montiel. Er soll sich als Gouverneur (1999-2005) schamlos bereichert haben.

Den entscheidenden Schritt vom aufstrebenden Regionalpolitiker zum Präsidentschaftsfavoriten macht Peña Nieto 2010, wiederum dank Televisa. Der damalige Witwer heiratete in zweiter Ehe Angélica Rivera, bekannt als „die Möwe“ (la gaviota). Die Schauspielerin gab bis dahin die Hauptrolle in der Televisa-Soap „Destillierte Liebe“ (destilando amor) und ist damit in Mexiko ein Star. Televisa berichtete über die Vermählung im Stil einer Königshochzeit.

Pessimisten befürchten das Schlimmste, wenn Peña Nieto in den Präsidentenpalast Los Pinos zieht. Optimisten verweisen auf Mexikos inzwischen gestärkte Institutionen und eine erwachende Zivilgesellschaft, die den neuen Präsidenten zu der von ihm versprochenen Demokratie zwingen wird. Ein Trost bleibt den Mexikanern in jedem Fall: Der First Lady werden sie von ganzem Herzen zujubeln können.