Tausende Menschen strömten am Freitag nach dem Mittagsgebet auf den Tahrir-Platz in Kairo, um die Rede des neuen Präsidenten zu hören.

Kairo. Der frischgebackene Präsident Ägyptens wollte noch ein Bad in der Menge seiner Anhänger nehmen. Denn bei der Amtseinführung am Sonnabend geht es für ihn streng nach Protokoll zu – und das haben ihm die Militärs vorgeschrieben.

Vor der Ablegung seines Amtseids im offiziellen, von den Militärs abgesteckten Rahmen wollte der vor wenigen Tagen gewählte ägyptische Präsident Mohammed Mursi zu den eigenen Anhängern sprechen. Tausende Menschen strömten am Freitag nach dem Mittagsgebet auf den Tahrir-Platz in Kairo, um seine Rede zu hören. Die Ansprache des Politikers aus den Reihen der konservativen Muslimbruderschaft wurde für den späteren Nachmittag erwartet.

Der Nachfolger des im Vorjahr gestürzten Langzeitherrschers Husni Mubarak ist der erste frei gewählte Präsident Ägyptens. Außerdem ist der 60-jährige Metallurgie-Ingenieur der erste Zivilist, aber auch der erste Islamist im höchsten Staatsamt. Seine Macht ist allerdings begrenzt. Der Oberste Militärrat, der das Land seit dem Abgang Mubaraks regiert, hatte vor zwei Wochen das Parlament aufgelöst, durch Verfassungszusätze die Befugnisse des Präsidenten stark eingeschränkt und die meisten Vollmachten an sich gezogen.

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Der kalte Machtkampf mit dem Militär, das an seinen Privilegien festhalten, aber auch eine Islamisierung des Landes verhindern will, reflektierte sich auch im Tauziehen um den Ort der Vereidigung Mursis. Die Muslimbruderschaft hatte die Auflösung des Parlaments nicht akzeptiert und verlangte eine Zeremonie in dem vom Militär geschlossenen Parlamentsgebäude.

Die Generäle beharrten hingegen darauf, dass Mursi – wie in ihren Verfassungszusätzen vorgesehen – den Amtseid vor dem Verfassungsgericht ablegt. Mursi und seine Organisation, aus der er nach der offiziellen Bekanntgabe des Wahlsiegs formell ausgetreten war, gaben schließlich nach. Der neue Präsident wird sich den Eid von den Verfassungsrichtern abnehmen lassen. Sein Auftritt am Freitag auf dem Tahrir-Platz sollte vor allem dazu dienen, den eigenen Anhängern den Eindruck zu vermitteln, dass man nicht eingeknickt sei.

Auf dem Platz im Zentrum von Kairo campieren seit Wochenbeginn mehrere hundert Anhänger der Muslimbruderschaft und einiger revolutionärer Jugendgruppen, um Druck gegen die jüngsten Eigenmächtigkeiten des Militärrats zu machen. Der Tahrir-Platz war das Zentrum der Massenproteste, die zum Sturz Mubaraks führten, aber auch Schauplatz späterer Demonstrationen der Revolutionsjugend gegen die Herrschaft der Militärs. Die Muslimbrüder hatten an all dem wenig Anteil.

(dpa)