Der frühere sowjetische Präsident Michail Gorbatschow hat den russischen Ministerpräsidenten Wladimir Putin aufgefordert, zurückzutreten. Gäbe Putin das Amt jetzt ab, würde er für das Positive in seiner zwölfjährigen Zeit an der Macht in Erinnerung bleiben, erklärte der 80-jährige Gorbatschow an Heiligabend im Rundfunksender Echo Moskau.

Moskau. Der frühere sowjetische Präsident Michail Gorbatschow hat den russischen Ministerpräsidenten Wladimir Putin aufgefordert, zurückzutreten. Gäbe Putin das Amt jetzt ab, würde er für das Positive in seiner zwölfjährigen Zeit an der Macht in Erinnerung bleiben, erklärte der 80-jährige Gorbatschow an Heiligabend im Rundfunksender Echo Moskau.

Derweil haben in Russland an Heiligabend Zehntausende Menschen gegen Ministerpräsident Wladimir Putin und das umstrittene Ergebnis der Parlamentswahl demonstriert. In Moskau versammelten sich nach Polizeiangaben mindestens 28.000 Menschen, die Opposition sprach sogar von 120.000 Teilnehmern.

„Russland ohne Putin“, riefen die Demonstranten und forderten eine Wiederholung der Wahl. Als erster Putin-Vertrauter bekundete der frühere Finanzminister Alexej Kudrin Verständnis für die Proteste und rief zu einem Dialog zwischen Regierung und Demonstranten auf.

„Wollt Ihr, dass Putin wieder Präsident wird“, fragte der Schriftsteller Boris Akunin die Menge. „Nein!“, riefen die Demonstranten und antworteten mit gellenden Pfiffen. Viele Menschen schwenkten Fahnen und hielten Luftballons. Sie trugen weiße Bänder und Schleifen – das Symbol ihres Protestes. Die Kundgebung blieb friedlich. Die Polizei hielt sich zurück.

+++ Wandel in Russland? Medwedew verspricht Reformen +++

„Ich sehe genug Menschen, um den Kreml und das Weiße Haus zu besetzen“, sagte der Blogger Alexej Navalny, der gegen die Korruption in seinem Land kämpft und wies auf den Sitz des Präsidenten und den der Regierung. „Aber wir sind eine friedliche Kraft, wir werden es nicht tun – noch nicht“, rief Navalny, eine führende Figur der Oppositionsbewegung. „Aber wenn die Gauner und Diebe weiter versuchen, uns zu betrügen und zu belügen, dann werden wir nach der Macht greifen.“

Ermutigt wurden die Demonstranten durch den Menschenrechtsrat, der Neuwahlen empfahl. Das Gremium berät die russische Regierung, die aber seine Empfehlungen in der Regel ignoriert.

Ex-Finanzminister Kudrin bietet sich als Vermittler an

Kudrin, der nach einem Streit von Präsident Dmitri Medwedew im September entlassen worden war, schrieb in einem offenen Brief an die Demonstranten: „Ich teile Ihre negativen Gefühle in Bezug auf die Ergebnisse der Parlamentswahl in unserem Land.“ Es müsse nun einen Dialog zwischen Regierung und Gesellschaft geben, um einen friedlichen Wandel zu ermöglichen und einen gewaltsamen Umsturz zu verhindern, mahnte Kudrin in dem Schreiben, das die Zeitung „Kommersant“ veröffentlichte. Zugleich bot sich Kudrin, den Putin selbst als engen Vertrauten bezeichnet, als Vermittler an, um einen Weg für Reformen auszuloten.

Eine Reform des Wahlrechts hat bereits Präsident Medwedew versprochen, der für Ministerpräsident Putin Platz machen und mit ihm das Amt tauschen soll. Doch die Opposition pocht auf eine Wiederholung der Parlamentswahl, bei der Putins Partei „Einiges Russland“ am 4. Dezember eine knappe Mehrheit erreicht hatte. Die Opposition wirft den Behörden vor, die Wahl zugunsten Putins Partei gefälscht zu haben. Sie will, dass sich der 59-jährige Putin, der bei der Präsidentenwahl im März abermals Staatsoberhaupt werden will, aus der Politik zurückzieht.

Es ist bereits die zweite Großkundgebung gegen Putins Regierung innerhalb von 14 Tagen. An der ersten Demonstration am 10. Dezember hatten nach Angaben von Augenzeugen etwa 50.000 Menschen teilgenommen. Es sind die größten Proteste gegen die Regierung seit mehr als zwölf Jahren.