François Hollande wird Präsident Nicolas Sarkozy 2012 herausfordern. Nach seiner Wahl zum Kandidaten der Sozialisten gibt er schon mal den Obama.

Paris. Der ehemalige Parteivorsitzende François Hollande wird Präsidentschaftskandidat der französischen Sozialisten. Bei der Stichwahl am Sonntag setzte er sich gegen Martine Aubry durch. Der 57 Jahre alte Hollande, der den "Parti Socialiste" von 1997 bis 2008 als Generalsekretär geführte hatte, erreichte 56,57 Prozent der Stimmen. Seine Nachfolgerin an der Spitze der Partei kam auf 43,43 Prozent. Damit kommt es bei den Präsidentschaftswahlen im kommenden Mai wahrscheinlich zum Duell zwischen Hollande und dem Amtsinhaber Nicolas Sarkozy.

Dass der Abend für Hollande ein guter werden würde, deutete sich mit den ersten Hochrechnungen an. Wenig später twitterte Hollandes Lebensgefährtin, die Journalisten Valérie Trierweiler, die Worte: "Quelle Histoire, quelle histoire". Mit diesen Worten hatte François Mitterrand 1981 seinen ersten Wahlsieg begrüßt. In Mitterrands Hauptquartier in Chinon saß damals auch ein 27 Jahre alter Wahlkampfhelfer namens François Hollande.

Bereits in der ersten Runde der Vorwahlen am vergangenen Sonntag hatte Hollande mit 39 Prozent die meisten Stimmen auf sich vereinen können. Aubry kam da auf 31 Prozent. Danach rechneten manche Beobachter mit einem knappen Ausgang der zweiten Runde, doch nachdem sich im Laufe der Woche die vier ausgeschiedenen Bewerber hinter François Hollande gestellt hatten, galt dieser als klarer Favorit. Selbst Hollandes ehemalige Lebensgefährtin Ségolène Royal, die nur enttäuschende sieben Prozent erreicht hatte, hatte ihre Wähler dazu aufgerufen, Hollande zu unterstützen. Und auch der betont globalisierungsfeindliche Kandidat Arnaud Montebourg, der im ersten Durchgang mit 17 Prozent ein überraschend gutes Ergebnis eingefahren hatte, hatte angekündigt, er werde für den ihm ideologisch fernstehenden Hollande stimmen.

Als sich die Hochrechnungen gegen Viertel vor neun verfestigten, trat Martine Aubry als Verliererin des Abends in der Parteizentrale der Sozialisten in der Rue Solférino vor die Mikrofone: "Ich gratuliere François Hollande herzlich zu seinem Sieg", erklärte die Tochter des ehemaligen EU-Kommissionspräsidenten Jacques Delors gewohnt nüchtern. Ihre Enttäuschung verbarg die Bürgermeisterin von Lille professionell: Sie werde ihr Amt als Generalsekretärin der Sozialisten - das sie während der "Primaires" hatte ruhen lassen - wieder aufnehmen, kündigte Aubry an. Die Hoffnungen der Linken verkörpere von nun an François Hollande. "Die Zeit der Debatten ist seit Sonnabend vorbei, nun kommt die Stunde der Einigung", sagte die Sozialistin Martine Aubry. Dabei hatte gerade Aubry - die Niederlage in den Umfragen vor Augen - der Debatte in den vergangenen Wochen noch jene Schärfe verliehen, welche die Sozialisten vermeiden wollten. Nachdem sie Hollande bereits als Vertreter einer "weichen Linken" kritisiert hatte, nannte sie ihn in den letzten Tagen vor der Stichwahl auch noch einen "Kandidaten des Systems". Die Wahlkampfstrategen der konservativen UMP, der Partei Nicolas Sarkozys, schrieben interessiert mit - und nutzten Aubrys Begriffsgeschenk der "linken Lusche" umgehend in ihren Reaktionen auf den Wahlausgang: Die konservative Staatssekretärin Nadine Morano frohlockte, Martine Aubry werde eine erhebliche "intellektuelle Anstrengung" vollbringen müssen, um plausibel zu machen, wieso sie nun den Kandidaten unterstütze, den sie eben noch als Vertreter einer laschen Linken beschimpfte. Ansonsten schien man in der Präsidentenpartei vor allem froh zu sein, dass die sozialistischen Vorwahlen nun vorbei sind. Mit dem Spektakel der "Primaires" und drei abendfüllenden Fernsehdebatten war es der PS erstmals seit Nicolas Sarkozys Amtsantritt gelungen, den Präsidenten wochenlang aus den Schlagzeilen zu verdrängen. Der Generalsekretär der UMP, Jean-François Copé, bekrittelte, dass Hollande bei einem "Pseudo-Wahlabend" keinen überzeugenden Sieg erreicht habe, obwohl er "alle hinter sich" und Martine Aubry "alle gegen sich" gehabt habe. "Ich dachte, er holt wenigstens 65 bis 70 Prozent", stichelte Copé. Die Vorwahl habe gezeigt, dass die Linke in eine "weiche und eine sektiererische Linke" zerfalle.

François Hollande indes hatte am Sonntagabend Besseres zu tun, als sich mit den Nörgeleien des Gegners zu befassen. In der Rue Solférino ließ er sich von Martine Aubry als Triumphator empfangen. Aubry ergriff Hollandes linken Arm und reckte ihn in die Höhe - dann applaudierten sich die Rivalen gegenseitig. Von hinten drängten die übrigen Parteigrößen nach, Ségolène Royal trat hinzu und gewährte ihrem ehemaligen Gefährten zwei Wangenküsse. Die anderen geschlagenen Kandidaten - Manuel Valls und Arnaud Montebourg - vervollständigten das Bild der geeinten Sozialistenfamilie.

"Ich stelle fest, dass ich den klaren Sieg erzielt habe, den ich wollte", sagte Hollande. Das Ergebnis sei ein Beweis für das Vertrauen, das er durch seine Arbeit in der Partei in den letzten Jahren aufgebaut habe. Kurz darauf trat er vor die Tür der Parteizentrale und hielt im Hof des Gebäudes gleich seine erste Wahlkampfrede vor überwiegend begeisterten Anhängern: Es gelte nun den Hoffnungen der Franzosen gerecht zu werden, "die Nicolas Sarkozy nicht mehr aushalten", sagte Hollande unter dem Jubel seiner Genossen. Er versprach eine "andere Präsidentschaft", die auf "Respekt", "Dialog" und "Demokratie" gründen soll.

"Es ist der französische Traum, den ich wiederbeleben werde", versprach Hollande, den Obama gebend. Die Jugend verdiene "ein besseres Leben als wir selbst." Zum Abschied erinnerte Hollande seine Parteifreunde daran, dass dies noch kein Sieg sei, der bereits "erreicht wurde, sondern bloß einer, der sich vorbereitet." Am kommenden Sonnabend wird Hollande auf dem Nominierungsparteitag der PS in Paris offiziell zum Präsidentschaftskandidaten ernannt werden. Danach, so kündigte er gestern an, will er in Ruhe sein Wahlkampfteam zusammenstellen. Dabei wird er mit Geschick agieren müssen, denn die Parteizentrale in Paris ist in der Hand loyaler Anhänger von Martine Aubry.

Hollande weiß aus den Erfahrungen der gescheiterten Kampagnen von Lionel Jospin 2002 und jener von Ségolène Royal 2007, wie wichtig es ist, das Querfeuer aus den eigenen Reihen einzudämmen. Deshalb will er sich Zeit nehmen für die Zusammenstellung einer schlagkräftigen Mannschaft. "Ich beginne meine Kampagne nicht morgen", sagte Hollande, "ich bin der gewählte Kandidat, aber wir stehen vor mehreren Etappen. Man muss einen Sinn für die Zeit haben, wenn man verstanden werden und effizient sein will. Die Kampagne beginnt dann zu gegebener Zeit, wenn ich die Entscheidung getroffen habe."