EU-Kommissarin Damanaki will Industrie in die Pflicht nehmen

Berlin. Setzt Maria Damanaki ihre Pläne durch, könnte Europa eine Revolution auf den Meeren erleben. Heute stellt die EU-Fischereikommissarin ihre Vorschläge für die seit Jahren erwartete Fischereireform vor. Wissenschaftler sprechen von einem großen Wurf, die Fischindustrie warnt vor zu viel Übermut. Konkret plant die Kommissarin, dass bei der Festlegung der Fangmengen wissenschaftliche Kriterien maßgeblich sein sollen. Ein Feilschen um Quoten soll es nicht mehr geben, stattdessen sollen langfristige Managementpläne gelten, um die Fischbestände in den europäischen Gewässern zu schützen. Auch will die Kommission den Rückwurf von Beifängen verbieten und Subventionen abbauen, um die Überfischung der Meere zu stoppen.

Nach Angaben von Wissenschaftlern ist der Handlungsbedarf auf den europäischen Meeren enorm. 80 bis 90 Prozent aller Bestände gelten als überfischt. Der Kieler Meeresbiologe Rainer Froese wies darauf hin, dass einige Fische sogar vom Aussterben bedroht seien: "Traurigstes Beispiel ist der Kabeljau in der Nordsee - unser Traditionsfisch." Dieser sei wahrscheinlich ausgerottet durch jahrelange Überfischung. Der Fisch, der über Jahrzehnte die Menschen ernährt habe, sei weg. "Das ist ein Skandal."

Auch Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) ist alarmiert und will die EU-Kommission bei der Reform unterstützen. "Es ist das Ziel der Bundesregierung, die Fischbestände in Europa und weltweit nachhaltig zu bewirtschaften", sagte Aigner dem Abendblatt. "Die Überfischung hat in einigen Bereichen dramatische Ausmaße angenommen", mahnte die Ministerin. Laut Aigner können die wertvollen Fischbestände nur wirksam geschützt werden, "wenn es langfristige Bewirtschaftungspläne gibt mit begrenzten Fangmengen, die auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basieren".

Die Landwirtschaftsministerin rechnet mit positiven Effekten für die deutsche Fischerei. "Langfristig werden die Fischer von der Reform profitieren, denn nur eine grundlegende Erholung der Bestände schafft die Voraussetzungen für höhere Fangzahlen und damit höhere Erlöse in der Zukunft." Aigner machte zugleich deutlich, dass es "höchste Zeit" sei für Rückwurfverbote, "um der unverantwortlichen Verschwendung von Meerestieren ein Ende zu setzen". Sie betonte: "Wir drängen schon seit geraumer Zeit auf die Einführung von Rückwurfverboten und Anlandegeboten und haben dazu bereits konkrete Konzepte vorgelegt."

Positiv bewertete die CSU-Politikerin die angestrebte Verbesserung der Informationen für die Verbraucher. "Hier erwarte ich nun von der EU-Kommission vor allem konkrete Vorschläge für europaweit harmonisierte Mindestanforderungen an die freiwilligen, bereits am Markt befindlichen Nachhaltigkeitssiegel. Mit einem verlässlichen Siegel können die Verbraucher ihren Beitrag leisten zum Schutz der Meerestiere", sagte die Ministerin.

EU-Fischereikommissarin Maria Damanaki forderte im Hamburger Abendblatt ein Entgegenkommen der Fischereiwirtschaft und verlangte eine Reduzierung der Fangflotten. "Wir wollen die Fischbestände und die Fischereiwirtschaft langfristig, nachhaltig und profitabel erhalten. Dafür brauchen wir gesunde Fischbestände", so Damanaki. Die EU-Kommissarin betonte: "Ohne einen Beitrag der Fischereiwirtschaft wird die Reform nicht gelingen. Die Zahl der Fangflotten wird sich verringern müssen, und es wird mehr Entscheidungen auf regionaler und lokaler Ebene geben statt in Brüssel."