Martine Aubry will auch bei einem Freispruch Strauss-Kahns Präsidentschaftskandidatin bleiben. Tristane Banon klagt gegen Strauss-Kahn.

Paris. Martine Aubry bewahrt die Ruhe. Anscheinend unbeeindruckt von der spektakulären Wende im Fall Strauss-Kahn erklärte sie im französischen Fernsehen, sie werde ihre Kandidatur für die französische Präsidentschaftswahl aufrechterhalten. "Ich ziehe das ganz sicher durch", sagte die Vorsitzende der sozialistischen Partei (PS). Seit dem Wochenende wird in Frankreich munter spekuliert, ob Dominique Strauss-Kahn vielleicht doch noch in das Präsidentschaftsrennen eingreifen könnte, falls die New Yorker Staatsanwaltschaft die Vergewaltigungsvorwürfe in Kürze tatsächlich fallen lassen sollte. Auch Aubry schloss ein Comeback Strauss-Kahns nicht aus.

Der Bewerbungsschluss für die Vorwahlen der Sozialisten ist am 13. Juli, Strauss-Kahns nächste Anhörung in New York, die mit der Einstellung des Verfahrens enden könnte, ist bislang für den 18. Juli geplant. Aubry, die mit Strauss-Kahn vor der Affäre vereinbart hatte, nicht gegeneinander anzutreten, scheint jedoch nicht ernsthaft damit zu rechnen, dass dieser noch kandidieren will. Und im Übrigen, so Aubry, habe sie die Entscheidung für die Kandidatur aus Überzeugung getroffen, "denn vielleicht bin ich ja die Beste, um die Linke zum Sieg zu führen".

Zahlreiche Anhänger Strauss-Kahns lassen sich derweil nicht von ihren Verschwörungstheorien abbringen. Besonderen Argwohn erweckt die Vorgehensweise der Verantwortlichen der Hotelkette Accor. Accor ist auch Eigentümer des Sofitel Manhattan, in dem Strauss-Kahn am 14. Mai ein Zimmermädchen zu sexuellen Handlungen gezwungen haben soll. Der sozialistische Abgeordnete François Loncle sprach von verdächtigen "Verbindungen" zwischen der Leitung des Hotelkonzerns und "einigen französischen Hinterzimmern" und meinte damit die angeblich guten Kontakte der Firma zum Élysée-Palast. Loncle behauptet, das Präsidialamt sei nur knapp eine Stunde nach der Verhaftung Strauss-Kahns am New Yorker Kennedy-Flughafen von Accor-Mitarbeitern über den Vorfall informiert worden. Die Hotelgruppe hat dies in einer Erklärung jedoch bestritten. Auch der Direktor des französischen Inlandsgeheimdienstes (DCRI), Bernard Squarcini, ein Vertrauter Sarkozys, erklärte, er habe "nie Kontakt mit dem Direktor des Sofitel gehabt, den ich nicht kenne, noch mit einem Verantwortlichen von Accor". Sein Dienst sei mit der gesamten Affäre nicht befasst, sagte Squarcini und drohte jedem rechtliche Schritte an, der das Gegenteil behaupte.

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Michèle Sabban, eine der vehementesten DSK-Unterstützerinnen in der PS, behauptet, bei der ganzen Affäre handele es sich um "ein politisches Attentat". Sabban hatte schon im Mai ein "internationales Komplott" vermutet und untermauerte ihre kühne These diesmal mit der Entdeckung, Präsident Nicolas Sarkozy habe den New Yorker Polizeichef Ray Kelly 2006 in die Ehrenlegion aufgenommen. Der Abgeordnete Jean-Marie Le Guen, auch er ein Unterstützer Strauss-Kahns, wollte Frau Sabban nicht ganz so weit folgen - es erscheine ihm "unwahrscheinlich", dass die New Yorker Polizei für den Élysée-Palast arbeite. Gleichwohl gebe es "einen Haufen Fragen", die gestellt werden müssten. Etwa jene, weshalb die New Yorker Polizei sechs Wochen gebraucht habe, um ein Telefonat des mutmaßlichen Opfers zu übersetzen. Le Guen gab zu, "keine gezielten Informationen" zu besitzen, doch er stelle sich in Bezug auf die Klägerin schon die Frage, "ob dieses arme Mädchen wirklich ganz allein handeln konnte".

Auf eine andere Spur wies der PS-Abgeordnete Claude Bartelone hin: Bei seinem letzten Besuch in Paris Ende April habe Strauss-Kahn ihm berichtet, dass er sich überwacht fühle. "Seid vorsichtig mit euren Telefonen", habe ihm der Direktor des Internationalen Währungsfonds damals gesagt. Strauss-Kahn sei besorgt gewesen, dass Gegner im IWF versuchen würden, ihn loszuwerden, sobald er seine Präsidentschaftsambitionen offensichtlich mache. Besonders die Russen seien gegen ihn, deswegen sei "Putin derjenige, der mich am genauesten überwacht", habe Strauss-Kahn behauptet. Und Putin, so raunte Bartelone, habe schließlich Verbindungen zu Sarkozy.

Unterdessen erklärte in Paris der Anwalt der Schriftstellerin Tristane Banon, seine Mandantin werde Klage wegen versuchter Vergewaltigung gegen Strauss-Kahn einreichen. Die heute 31-Jährige hatte den Übergriff, der sich bereits 2002 ereignet haben soll, erstmals 2007 in einer Talkshow geschildert. Die Entscheidung seiner Mandantin, doch noch Klage einzureichen, sei schon vor der überraschenden Wende in New York gefallen, erklärte Banons Anwalt.