Kampfjets des Militärbündnisses fliegen weiter Angriffe gegen Libyens Herrscher . Papst fordert Ende der Kämpfe

Hamburg/Tripolis. Nach den Bombeneinschlägen ragen verbogene Metallstangen aus dem Schutt. Betonplatten sind zerbrochen, Staub steigt aus den Ruinen auf. Bei Luftangriffen der Nato ist gestern ein Militärkomplex des libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi in Tripolis schwer beschädigt worden. Dabei wurden nach offiziellen libyschen Angaben 15 Menschen schwer verletzt. Die Gebäude der Residenzanlage Bab al-Asisija in Tripolis wurden von mindestens zwei Raketen getroffen und schwer beschädigt.

Nur kurze Zeit nach den Angriffen kletterten Dutzende Gaddafi-Anhänger auf die Ruinen, hissten die grüne Nationalflagge Libyens und versprachen Gaddafi ihre Unterstützung.

Wo sich der libysche Machthaber während des Angriffs aufhielt, blieb unklar. Ein Nato-Sprecher erklärte, das Militärbündnis nehme nun vermehrt Kommando- und Kontrolleinrichtungen ins Visier. Eine Kommunikationszentrale im Zentrum von Tripolis sei bereits zerstört worden. Die Gaddafi-Truppen hätten die getroffene Zentrale benutzt, um Attacken auf die libysche Bevölkerung zu koordinieren.

Die Nato kündigte zudem an, "ein hohes operationelles Tempo" aufrechtzuerhalten, um Gaddafis Angriffe auf Zivilisten einzudämmen. Seit das Verteidigungsbündnis das Kommando über den Einsatz Ende März übernommen hatte, flog es 3700 Einsätze und 1500 Luftangriffe. In den vergangenen 48 Stunden seien dabei auch Raketenwerfer, gepanzerte Truppentransporter, Bunker und Rüstungslager in und rund um Misrata, Tripolis und Sirte zerstört worden.

Der Angriff auf eine der Residenzen Gaddafis weckt Erinnerungen an das Jahr 1986. Schon vor einem Vierteljahrhundert flogen US-amerikanische Streitkräfte Bombenangriffe auf Gaddafis Libyen - damals allerdings ohne Mandat der Vereinten Nationen. Für die US-Medien war damals klar, dass dabei Gaddafi getötet werden sollte.

Der Diktator überlebte die Bombardierung seiner Residenz in der Nacht zum 15. April 1986. Seine 15 Monate alte Adoptivtochter aber kam ums Leben. Gaddafis Frau und weitere Kinder wurden verletzt. Die Vollversammlung der Uno verurteilte die US-Angriffe als "Verstoß gegen die Charta der Vereinten Nationen und das internationale Recht". Die etwa halbstündige Attacke galt als Vergeltung für den Terroranschlag auf die bei US-Soldaten beliebte Diskothek La Belle zehn Tage zuvor in West-Berlin. Dabei waren drei Menschen getötet und rund 200 verletzt worden. Für US-Präsident Ronald Reagan war klar, dass Gaddafi den Terroranschlag angeordnet hatte.

Gegen die Nato-Angriffe an diesem Wochenende auf die Regierungsgebäude des Herrschers wetterte Gaddafis Sohn Saif al-Islam im libyschen Staatsfernsehen. "Der Angriff auf das Büro von Muammar al-Gaddafi im Dunkeln der Nacht war feige", sagte er und fügte hinzu, dass die Nato-Militäroperation scheitern werde, denn sein Vater sei umgeben von Millionen von Libyern, die ihn schützten. Die Verbündeten der Nato in Libyen bezeichnete er als "Handlanger, Agenten und Spione".

Doch nicht nur in der Hauptstadt Tripolis wurde gekämpft. Auch die westlibysche Stadt Misrata war wieder Schauplatz heftiger Gefechte. Nato-Maschinen flogen Angriffe gegen Gaddafi-Truppen, die zuvor die Stadt unter Raketenbeschuss genommen hatten. Mindestens 70 Raketen der Regierungstruppen seien auf die Stadt niedergegangen. Einem Augenzeugen zufolge wurden mindestens 30 Menschen durch Angriffe getötet. Zwei Schulen im Stadtteil Abbad wurden nach Angaben von Zivilisten zerstört.

Trotz der Gegenwehr von Gaddafis Truppen gewinnen die Rebellen in der 200 Kilometer von Tripolis entfernten Stadt allmählich an Boden. Zwei gefangen genommene regierungstreue Soldaten sagten der Nachrichtenagentur AFP, die Moral bei Gaddafis Leuten sei derzeit "auf dem Tiefpunkt". Viele Soldaten würden aufgeben wollen, hätten aber zu viel Angst davor, wegen Verrats umgebracht zu werden.

Papst Benedikt XVI. hat in seiner traditionellen Osterbotschaft ein Ende der Kämpfe in Libyen gefordert und zu einer diplomatischen Lösung des Konflikts aufgerufen. Politik in Nordafrika sowie im Nahen Osten müsse auf Respekt gegenüber allen beruhen, sagte das Oberhaupt der katholischen Kirche vor Zehntausenden Pilgern auf dem Petersplatz in Rom. Auch müsse jenen, die unter dem Konflikt zu leiden hätten, Zugang zu humanitärer Hilfe gewährt werden.