Luftschlag gegen Libyen spaltet Nato. Unmut über Franzosen, Briten und Amerikaner

Hamburg. Mit massiven Luftschlägen gegen Militäreinrichtungen in Libyen haben die USA, Großbritannien und Frankreich in der Nacht zum Sonntag in den libyschen Bürgerkrieg eingegriffen. Britische und amerikanische Schiffe feuerten dabei allein 124 Marschflugkörper vom Mittelmeer aus auf Ziele in Libyen ab. Kampfjets, darunter US-Tarnkappenbomber, setzten die Angriffe im Laufe des Tages fort. Westlich der Rebellenhochburg Bengasi wurde ein Konvoi der regimetreuen Truppen vernichtet. Auch Flugplätze und Einrichtungen der Luftabwehr wurden getroffen. US-Generalstabschef Mike Mullen sprach von einem "Erfolg der ersten Phase eines mehrstufigen Einsatzes". Ziel sei nicht der Sturz von Diktator Muammar al-Gaddafi, sondern der Schutz von Zivilisten.

Libyens "Revolutionsführer" gab sich kämpferisch. Er sagte, das Mittelmeer und Nordafrika würden nun aufgrund des "neuen Kreuzzuges" des Westens "zum Schlachtfeld". Er kündigte einen "langen, ausgedehnten Krieg ohne Grenzen" an. Nach eigenen Angaben hat er die Waffenarsenale geöffnet und will nun "eine Million Libyer bewaffnen". "Ihr habt in Somalia verloren, ihr wurdet in Vietnam besiegt, im Irak und in Afghanistan. Ihr werdet auch jetzt besiegt werden", drohte der Diktator. Ungeachtet der Uno-Resolution setzten Gaddafis Truppen ihre Angriffe auf die von den Rebellen besetzten Städte Misrata und Bengasi fort. Gaddafis Kommandoeinheiten drangen Berichten zufolge bereits in die Innenstädte ein. Wohngebiete lagen unter Artilleriefeuer.

Grundlage der alliierten Militäroperation namens "Odyssey Dawn" (etwa: Morgendämmerung einer Irrfahrt) ist die Uno-Resolution 1973, die den Schutz der Zivilbevölkerung in Libyen sicherstellen soll. Nach dem Ausbruch der Revolte in seinem Land hatte Gaddafi seine überlegenen Streitkräfte gegen die Rebellen eingesetzt. Die Staatengemeinschaft will verhindern, dass er ein Blutbad in Bengasi und anderen Städten anrichtet.

Die Angriffe gegen Libyen stellen die Nato mittlerweile vor eine Zerreißprobe. Bei einer Sondersitzung konnten sich die ständigen Botschafter der 28 Nato-Staaten gestern in Brüssel nicht auf ein Mandat zur Überwachung der Flugverbotszone einigen. Mehrere Bündnispartner hätten Unmut über ein Vorpreschen von Franzosen, Briten und Amerikanern geäußert, hieß es in Diplomatenkreisen. Einige Länder fühlten sich nicht ausreichend über die Intervention informiert oder hielten sie für überhastet.

Großbritannien hatte gefordert, dass das Kommando über den Militäreinsatz möglichst schnell von den USA auf die Nato übergehen soll. Dagegen will Frankreich die Führung nicht an das Nordatlantische Bündnis abtreten. Deutschland hatte sich schon bei der Abstimmung über die Uno-Resolution enthalten und verweigert eine Beteiligung der Bundeswehr an dem Militäreinsatz.

Angesichts von Dutzenden Todesopfern der alliierten Luftangriffe, von denen libysche Medien sprachen, kritisierte die Arabische Liga den westlichen Militäreinsatz. Generalsekretär Amr Mussa sagte, dies gehe weit über die von der Liga geforderte Flugverbotszone hinaus und führe zum Tod von Zivilisten. Auch Russland, China und Indien kritisierten die Luftangriffe, Moskau forderte deren Einstellung.