Die langfristigen Ziele der Angriffe auf Libyen bleiben unklar.

Das etwas unpassend poetische Etikett für die alliierten Angriffe auf Libyen, "Odyssey Dawn", ließe sich übersetzen mit "Morgendämmerung einer Irrfahrt". Damit wäre das Hauptproblem dieser Operation treffend umrissen: die Frage nach der Strategie hinter dem Angriff. Was soll damit eigentlich bewirkt werden - tatsächlich nur der Schutz von Zivilisten oder doch ein Regimewechsel in Tripolis?

Im ersten Fall müssten die Angriffe eingestellt werden, sobald auch Gaddafis Truppen nicht mehr schießen.

Im zweiten Fall aber würde der Westen zur Bürgerkriegspartei, ohne zu wissen, wer das tyrannische System Gaddafi kurzfristig ersetzen soll. Eine strukturierte Opposition existiert nicht, ja nicht einmal eine Armee als stabilisierender Machtfaktor wie in Ägypten oder Tunesien. Zu unterstellen, bei den Aufständischen handle es sich um lupenreine Demokraten, wäre im Übrigen sträflich naiv. Gaddafi muss weg - aber ein plötzlicher Sturz des Regimes ohne solide Alternative könnte Chaos und Bürgerkrieg sogar noch anheizen und militanten Islamisten der Marke al-Qaida ein Einfallstor bieten. Der Westen müsste sich also auch hier langfristig engagieren - sicher nicht zur Freude der islamischen Welt.

Falls die Luftangriffe allein Gaddafi nicht beeindrucken, was soll als Nächstes von westlicher Seite erfolgen? Das peinliche Eingeständnis eines Fehlschlags oder doch eine Bodeninvasion mit der möglichen Konsequenz eines Krieges wie in Afghanistan? Und was soll geschehen, wenn die bedrängten Rebellen in Bahrain, der Elfenbeinküste und ähnlich gelagerten Krisenherden um Hilfe rufen?

Die Bundesregierung hat in der Libyen-Krise zwar konsequent entlang ihrer festgelegten Linie agiert, aber durch das Ausscheren aus der militärischen Allianz ihre Position auf internationaler Bühne geschwächt. Doch hätte sie für die Uno-Resolution gestimmt, anstatt sich zu enthalten, dann hätte sie sich kaum noch um den Einsatz der Bundeswehr in Libyen herumdrücken können. Umfragen unter den Bundesbürgern zeigen das Dilemma: Eine klare Mehrheit ist für den Militärschlag - aber ebenso eindeutig gegen den Einsatz deutscher Soldaten. Die Ziele der alliierten Operation sind ohne Frage ehrenwert, und sollte sie am Ende tatsächlich zu einem friedlichen Machtübergang führen, dann wären ihre Kritiker nicht nur in Berlin beschämt. Bis dahin gilt die Befürchtung von Bundeskanzlerin Merkel, dass diese Luftoperation "nicht hundertprozentig durchdacht" sei.