Uno erlaubt Militäreinsatz. Deutschland enthält sich. Diktator verkündet Waffenruhe - und bricht sie.

Hamburg/New York. Nach Wochen des Zögerns macht die Welt Ernst: Mit einem Militäreinsatz will die internationale Gemeinschaft die Macht des libyschen Diktators Muammar al-Gaddafi brechen. Eine Uno-Resolution erlaubt ab sofort die Durchsetzung einer Flugverbotszone über Libyen. Deutschland hatte sich bei der Abstimmung enthalten. Bereits am Freitag bereiteten eine Reihe von Staaten wie Frankreich, Großbritannien, Dänemark, Norwegen, Kanada und Belgien einen Luftschlag vor. Kampflugzeuge wurden in die Region verlegt, etwa auf Basen in Sizilien. Das Emirat Katar will sich ebenfalls an dem Einsatz beteiligen.

US-Präsident Barack Obama sagte am Abend, der mögliche Militäreinsatz gelte allein dem Schutz der libyschen Zivilbevölkerung. Gaddafi müsse den Vormarsch seiner Truppen auf die Rebellen-Hochburg Bengasi stoppen und die Soldaten aus den Städten Adschdabija, Misrata and Sawija zurückziehen. Diese Bedingungen seien "nicht verhandelbar", sagte der US-Präsident. Danach sicherte Libyens Vize-Außenminister Chalid Kaim zu, die Armee werde nicht in Bengasi einrücken.

Gaddafi reagierte auf die Uno-Resolution mit einer überraschenden Kehrtwendung, um das internationale Eingreifen in letzter Minute auszubremsen. Die Diplomaten in den westlichen Hauptstädten trauten am Freitag ihren Ohren nicht, als der libysche Außenminister Mussa Kussa verkündete, Libyen erkläre "eine sofortige Waffenruhe und einen sofortigen Stopp aller Kampfhandlungen". Sein Land akzeptiere ausdrücklich die Uno-Resolution 1973, habe außerdem ein großes Interesse am Schutz von Zivilisten und sei offen für einen Dialog mit allen Seiten.

Der britische Premierminister David Cameron sagte dazu, man werde Gaddafi nun an seinen Taten messen. Ähnlich äußerten sich Uno-Generalsekretär Ban Ki-moon und US-Außenministerin Hillary Clinton. "Wir werden nicht auf Worte reagieren und uns nicht von ihnen beeindrucken lassen", sagte Clinton in Washington. Die Resolution sei nur ein erster Schritt, die Staatengemeinschaft werde noch über weitere Maßnahmen gegen Libyen beraten. "Überwältigend vordringliches Ziel" sei ein Ende der Gewalt. Aber es geht auch um Gaddafis persönliche Zukunft. EU-Außenpolitikchefin Catherine Ashton sagte in Brüssel: "Es gibt die allgemeine Sichtweise, dass Gaddafi gehen und sein Regime zu Ende sein sollte."

Wenige Stunden vor Gaddafis Wende hatte sein Sohn Saif al-Islam noch erklärt, Libyen werde sich um die Uno-Resolution gar nicht kümmern. Die Beschießung der Rebellenstellungen dauerte zunächst noch an.

Der Sicherheitsrat hatte in der Nacht zuvor in seiner Resolution die Mitgliedstaaten ermächtigt, "alle nötigen Maßnahmen zu ergreifen, um Zivilisten in Libyen zu schützen, denen ein Angriff droht - inklusive Bengasi". Zudem beinhaltet die Resolution eine Flugverbotszone. Eine Besetzung des Landes mit Bodentruppen wurde aber ausgeschlossen.

Gaddafi hatte den Oppositionellen nach seinen jüngsten militärischen Erfolgen blutige Rache angedroht; die Staatengemeinschaft befürchtete einen Völkermord. Zehn der 15 Mitglieder des Sicherheitsrates stimmten für die Resolution, fünf enthielten sich - neben Deutschland auch Russland, China, Brasilien und Indien. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) argumentierte, die Entscheidung für eine Luftoperation über Libyen sei "nicht hundertprozentig durchdacht": "Wir wünschen unseren Partnern viel Erfolg, weil wir die gleichen politischen Ziele verfolgen. Aber wir sind halt anderer Ansicht, was die Erfolgsaussichten des Einsatzes angeht." Die Enthaltung sei nicht mit Neutralität zu verwechseln.

Die Bundesregierung erwägt nun einen Beitrag an anderer Stelle. Durch den Einsatz von Bundeswehrsoldaten in Awacs-Überwachungsflugzeugen über Afghanistan würden bei den Verbündeten Kapazitäten für Libyen frei. Am heutigen Sonnabend hat Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy zu einem Krisengipfel nach Paris eingeladen. Auch Merkel nimmt daran teil.